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Quatember, Ursula; Kalasek, Robert; Pliessnig, Martin; Prochaska, Walter; Quatember, Hans; Taeuber, Hans; Thuswaldner, Barbara; Weber, Johannes
Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße (Textband): Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.46296#0030
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1.2 Bauinschrift, Stifterfamilie und der gesellschaftliche Kontext (U. Quatember - H. Taeuber)

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des Tempels waren P. Quintilius Valens Varius, seine Frau und die Tochter Quintilia Varilla, Ange-
hörige einer bedeutenden ephesischen Familie, über die auch aus anderen Inschriften weitere
Informationen vorliegen134. Da in der Inschrift mehrere Ämter und Amtsinhaber genannt werden,
ist die Datierung des Gebäudes mit einiger Sicherheit zu erschließen, wie bereits Michael Wörrle
im Jahr 1974 zeigen konnte135. Seine Argumentation sei hier nochmals zusammengefasst: Der
Prokonsul Q. Servaeus Innocens ist als Suffektkonsul des Jahres 101 n. Chr. bekannt136. Geht
man davon aus, dass seine Karriere nach den üblichen Regeln verlief, müsste er spätestens im
Jahr 117/118 n. Chr. - allerspätestens denkt Wörrle an das Jahr 118/119 n. Chr. - Prokonsul
gewesen sein. Der ebenfalls in der Inschrift genannte P. Vedius Antoninus wäre demnach als
>Adoptivvater< dieser bedeutenden ephesischen Familie zu identifizieren, der auch als Prytane
zwischen 96 und 99 n. Chr. fungierte137. Die korrekte Zuweisung des Namens hatte bis zu Wörrles
Lösungsvorschlag138 Probleme bereitet, da es in dieser Familie vier Personen gleichen Namens
aus vier verschiedenen Generationen gab, die Politik und Bautätigkeit der Stadt Ephesos im
2. Jahrhundert n. Chr. wesentlich prägten139. Unter allen Namensträgern passt jedoch der mit
dem Beinamen >Adoptivvater< versehene Dynastiegründer nicht nur angesichts seiner Datierung
am besten zu dem genannten Prokonsul Q. Servaeus Innocens. Der >Adoptivvater< ist darüber
hinaus auch der Einzige, der das Amt des Grammateus des Volkes zweimal innehatte140.
Tib. Claudius Lucceianus, unter dem das Bauvorhaben begonnen wurde, kann als Gramma-
teus des Volkes in das Jahr 114/115 n. Chr. datiert werden, da er in dieser Funktion auch in einer
anderen Inschrift aufscheint, die anhand der Titulatur Kaiser Traians in diese Zeit zu setzen ist141.
Das städtische Amt eines Grammateus des Volkes war mit vielfältigen Aufgaben verbunden,
darunter weitreichende finanzielle Kompetenzen, die Aufstellung von Ehrenstatuen sowie das
Bauwesen. Ein wesentlicher Bereich war darüber hinaus die Übernahme von Aufgaben in der
Volksversammlung. In manchen Fällen - wie auch in der Bauinschrift des Tempels - wird nach
dem amtierenden Grammateus datiert, auch wenn das eponyme Amt in Ephesos eigentlich das des
Prytanen war. Claudia Schulte erklärt dies mit praktischen Erfordernissen, da der Grammateus
des Volkes auch für Weihungen an den Kaiser verantwortlich zeichnete142.
Aus den Datierungen der Ämter des Prokonsuls Servaeus Innocens auf 117/118 n. Chr. und
der Grammatie des Tib. Claudius Lucceianus in das Jahr 114/115 n. Chr. ergibt sich für den
Tempel eine Bauzeit von mindestens zwei und maximal vier Jahren143.

134 Zu der Familie und ihren Ämtern s. u. Kap. 1.2.3.
135 Wörrle 1973, 470-477; in eine ähnliche Richtung zielte auch Bowie 1971, 137-141; Bowie 1978, 867-874.
Dieser heute zumeist akzeptierten Datierung war eine längere Diskussion in der Forschung vorausgegangen; vgl.
dazu Kap. 1.1.2.
136 PIR VII2 561.
137 IvE 728. 1016 zu seiner Prytanie. Zur Nennung seiner Person s. auch IvE 697b. 725. 726. 726a. 1384.
138 Wörrle 1973, bes. 472-475.
139 Zu dem Stammbaum der Vedii s. zusammenfassend Steskal - La Torre 2008, 304-306 mit weiterer Lit.; Kalinow-
ski 2002, 109-149.
140 IvE 728; s. Wörrle 1973, 473 f. mit Anm. 18; vgl. dazu auch Kalinowski 2002, 129 f. Zu dem Amt des Gramma-
teus des Volkes s. auch Schulte 1994.
141 Schulte 1994, 162 f. (Nr. 65). Zu der Architravinschrift mit der Nennung Traians, die zu einem Propylon gehörte
und östlich des Nymphaeum Traiani gefunden wurde, s. IvE 422. Zu dem Propylon selbst s. zuletzt Thür 1999a,
110.
142 Schulte 1994, bes. 40-45.
143 Einen Vergleich erlaubt das Nymphaeum des Laecanius Bassus, das nach einjähriger Bauzeit im Jahr 79 n. Chr.
fertiggestellt wurde. Diese Datierung ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung von H. Taeuber, dem an dieser
Stelle für die Einsichtnahme in das unpublizierte Manuskript sehr herzlich gedankt sei. s. dazu H. Taeuber in:
Aurenhammer - Jung (in Vorbereitung). Aus den Details der technischen Ausführung des >Hadrianstempels< lässt
sich ebenfalls erschließen, dass bei der Errichtung auf eine möglichst schnelle Fertigstellung abgezielt wurde. Zu
bautechnischen Besonderheiten und der Ausführung in teils minderer Qualität vgl. Kap. 1.4.3.
 
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