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Quatember, Ursula; Kalasek, Robert; Pliessnig, Martin; Prochaska, Walter; Quatember, Hans; Taeuber, Hans; Thuswaldner, Barbara; Weber, Johannes
Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße (Textband): Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.46296#0056
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1.4 In der römischen Kaiserzeit: Baubeschreibung und Rekonstruktion (Ursula Quatember u. a.) 55

aufgang zum Variusbad baulich und auch optisch verbunden, indem sich die Dekoration seiner
Front über diesem Zugang fortsetzte (Taf. 99. 203).
Dem kleinteiligen Bruchsteinmauerwerk des Pronaos waren großformatige Marmorortho-
staten vorgeblendet. Die Wandgestaltung schließt unterhalb des Architravs mit Reliefs ab, die
an dieser Stelle bereits von der ersten Bauphase an verbaut waren. Sie zeigen mythologische
Darstellungen aus der Geschichte der Stadt und des Artemisions. Entsprechend dem Mittelbogen
existiert über dem Durchgang zum Inneren eine Lünette mit der Darstellung einer sog. Ran-
kenfrau. Die Überdachung des Vorraumes erfolgte in den seitlichen Bereichen mittels zweier
Tonnengewölbe, deren Achse parallel zur Kuretenstraße verlief. Sie wurden an den Schmalseiten
von Schildbögen abgeschlossen. Der Mittelteil des Daches über dem Pronaos war höchstwahr-
scheinlich als Hängekuppel gestaltet. Der Zugang zum Innenraum war von einer ionischen Tür
gerahmt.
Die Bruchsteinwände des Innenraumes waren ursprünglich mit Marmor verkleidet, von dem
sich aber nur geringe Reste erhalten haben. Vor der Rückwand befand sich ein längliches Podest
aus großformatigen Marmorquadern. Das Dach über dem Innenraum ist höchstwahrscheinlich
als Tonnengewölbe zu rekonstruieren.
Zu einem späteren Zeitpunkt erfuhr das Gebäude nachträgliche Adaptionen und Umbauten:
Zwischen 293 und 305 wurden vor der Fassade Statuen der Tetrarchen Galerius, Maximian, Dio-
cletian und Constantius I. aufgestellt, von denen drei Postamente mit den zugehörigen Inschriften
erhalten sind. Maximian wurde am Ende des 4. Jahrhunderts durch eine Statue und eine Inschrif-
tenbasis für Flavius Theodosius, den Vater von Theodosius I., ersetzt304. Möglicherweise ebenfalls
im 4. Jahrhundert305 - vielleicht verursacht durch ein Erdbeben - kam es zu einem Einsturz im
westlichen Bereich des Pronaos, bei dem auch Teile der Straßenfront zerstört wurden. Dies ist
durch Reparaturen an Architekturgliedern ebenso bezeugt wie durch mehrere Ersatzstücke. Dazu
zählt beispielsweise auch der westliche horizontale Architrav, bei dessen Erneuerung der Beginn
der Bauinschrift weggelassen oder nur noch aufgemalt wurde (Taf. 71,1; 232). Wahrscheinlich
im Zuge des Wiederaufbaus wurde die Antenwand an der Westseite des Pronaos gekürzt und
als Zugang zu dem westlich anschließenden Bereich adaptiert. Dieses Areal wurde im weiteren
Verlauf der Spätantike ebenso umgestaltet wie die Räume der Badeanlage an der Rückseite des
Tempels. Von diesen späteren Reparaturen und Änderungen der umgebenden Bebauung abgese-
hen, legt der Baubefund jedoch nahe, dass der Tempel an dieser Stelle gemeinsam mit der umge-
benden Bebauung in den Jahren 117/118 n. Chr. bzw. spätestens 118/119 n. Chr. errichtet wurde306.
1.4.2 Ausführliche Baubeschreibung307
1.4.2.1 Die Strasse und der Stufenunterbau, die Postamente und Basen sowie die
Statuenbasen
Die unterste Gebäudeebene des Tempels mit Stufenunterbau und Postamenten der Stützglieder
liefert durch das Verhältnis zum Straßenpflaster308 und den vor dem Tempel aufgestellten Sta-
tuenbasen wichtige Informationen über die zeitliche Abfolge einzelner Baumaßnahmen. Auch
daran zeigt sich, dass der Bau bereits in der römischen Kaiserzeit an dieser Stelle bestand.

304 s. dazu Kap. 1.4.5.2.
305 s. dazu auch Kap. 1.4.5.1.
306 Zur Datierung vgl. Kap. 1.2.1.
307 Die Beschreibung verzichtet zugunsten der Lesbarkeit auf detaillierte Maßangaben. Diese sind den Plänen und
Schnitten des Gebäudes auf den Planbeil. 1 -10 zu entnehmen. Für Angaben zu den einzelnen Baugliedem sei auf
den Katalogteil III. 1 verwiesen. Zu den Nummern der Architekturteile s. auch Taf. 207-211.
308 Der nordwestliche Abschnitt der Kuretenstraße wurde wohl Ende des 5. oder Anfang des 6. Jhs. ein letztes Mal
erneut gepflastert, vgl. Waldner 2009a, 163 f. Für den Bereich unmittelbar vor dem Tempel liegen jedoch keine
Infonnationen vor, da bislang keine Platten des Straßenbelags gehoben wurden, um darunter Grabungen durchzu-
führen.
 
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