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Ohnesorg, Aenne; Schleithoff, Ruth [Hrsg.]; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Der Kroisos-Tempel: neue Forschungen zum archaischen Dipteros der Artemis von Ephesos — Forschungen in Ephesos, Band 12,4: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.47146#0151
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VII. Datierung, Resümee und Ausblick

A. DATIERUNG
1. Stilistische Fragen
Soweit sich die insgesamt spärlichen Reste der Bauglieder stilitisch beurteilen lassen, passen sie gut ins Bild der ostionischen Architektur des 6. Jahr-
hunderts.
Gut zu beurteilen sind die Säulenbasen, insbesondere die Tori: die Profile der kannelierten Tori haben Ähnlichkeiten mit denen des Dionysos-Tempels
von Myus und der beiden Dipteroi der Hera von Samos, die zwar auch eine Vielzahl von Varianten aufweisen, welche aber fast ausschließlich aus einer
Kombination von mehr oder weniger breiten Kanneluren mit verschieden gestalteten Stegen und >Rillen< bestehen808. Auch beim archaischen Apollon-
Tempel von Didyma sind unter den wenigen Fragmenten bisher nur glatte oder kannelierte Tori bekannt. Ein Fragment der glatten Tori mit den Resten
von fünf Zehen darauf stammt von einer Relieftrommel, die dann zum Pronaos gehören muß809 810.
Zu vergleichen sind auch die in Smyrna, Chios, Sardis und Delphi™ gefundenen Fragmente von Wandfußprofilen mit Kanneluren, die alle zwischen der
Mitte und dem Ende des 6. Jahrhunderts datiert werden.
Blattkranztori mit lesbischem Kyma sind selten; insbesondere mit dem offensichtlich unfertigen Torusfragment ohne Kat.-Nr.(Art 86/K 246(5.]) lassen
sich lesbische Kymatien aus Didyma und Phokaia vergleichen. Das didymäische Fragment besteht aus Marmor811; diejenigen aus Phokaia, die sich heute
im Museum von Izmir befinden, aus porösem Kalkstein oder Kalktuff812: deren Torus besteht aus einem Blattkranz aus 14 Blättern von ~29,5cm
Achsbreite; der max. Durchmesser beträgt ~ 1.32 m813. Diese Stücke scheinen Blattkranztori und keine Kapitelle zu sein und wären dann ein Beleg für
die ephesischen; sie wurden ins zweite Viertel und allgemeiner in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts datiert814.
Auch lesbische Blattkränze aus Neandria, Smyrna und Chios sind verwandt, deren Entstehung in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts und erste Hälfte
des 5. Jahrhunderts gesetzt wird815. Die Gruppe des ungewöhnlichen lesbischen Kymatyps Kat. 66 usw. hat ihre engste Parallele in einem Volutenakroter
aus Kyzikos (s.o. Kap. III B 2 mit Anm. 352). Die Kombination von plastischem lesbischem Kyma mit der Profilierung einer ephesischen Spira tritt an
einem Wandfußprofil in Chios auf816.
Die >ephesische Spira< kommt in dieser Epoche nur am Dionysos-Tempel von Myus und am etwas jüngeren ersten Apollon-Tempel von Didyma vor.
Wenn man den Baubeginn des Kroisos-Tempels noch vor 560 ansetzt, wofür sich Dinsmoor, Voigtländer und Weißl aussprachen817 und was auch hier
favorisiert wird, wären insbesondere seine unteren Bauteile vor denen des Tempels von Myus angefertigt worden. Dieser viel kleinere Bau hätte jedoch
weitaus schneller fertiggestellt werden können, während sich die Bauzeit des Kroisos-Tempel nach der communis opinio ins 5. Jahrhundert hineinzog (s.
auch unten).
Die Fragmente der Säulenfüße und -hälse und der Kapitelle sind wieder denen des Tempels von Myus in manchen Details (Kymatien, Zwickelpalmet-
ten!) sogar verblüffend ähnlich, aber auch Kapitelle von Didyma und Milet sowie die kleinen spätarchaischen samischen bieten sich zum Vergleich an818.

808 Myus: B. F. Weber, IstMitt52, 2002, 255ff.; vgl. das Fragment eines Torus des
neugefundenen, wohl auch archaischen Tempels im >Panionion<: H. Lohmann in:
E. Schwertheim - E. Winter (Hrsg.), Neue Forschungen zu Ionien, Asia Minor
Studien 54 (2005) 84f. Taf. 7, 2. - Älterer Dipteros von Samos: E. Buschor, AM
55, 1930, 84ff. Abb. 38 (ein Torus offenbar auch mit Kehle, über abwechselnd
flachen und normalen Rundstäben); H. Johannes, AM 62, 1937, 13 ff.; Hendrich
a.O. (Anm. 772)-Jüngerer Dipteros: O. Reuther, Der Heratempel von Samos (1957)
bes. 12 ff. 41 ff. und Kellner a.O. (Anm. 772) - In Samos gibt es auch Weihgeschenk-
basen einschließlich Modellen mit kannelierten Tori: o. Anm. 316 und H. Walter,
Das griechische Heiligtum (1990) 136 Abb. 151. 152. - Nicht durch ephesische
Fragmente belegt ist eine in Samos, an einem Rundaltar(l) vorkommende Version
mit schmalen Doppelrundstäben zwischen den - insgesamt sieben - Kanneluren
des Torus: E. Buschor, AM 72, 1957, 11 Beil. 8, 2; 9, 1; D. Aktseli, Altäre in der
archaischen und klassischen Kunst (1996) 68 mit Anm. 96; W. Koenigs, IstMitt46,
1996, 145 mit Anm. 12.
809 H. Knackfuß, Die Baubeschreibung in: Th. Wiegand (Hrsg.), Didyma I (1941) 123.
190f. (Photo-)Taf.216, F 602; Gruben (1963) 105f. Abb.8; Wesenberg (1971) 120
Nr. 22. 124 und Abb. 260; Altekamp (1991) 97 ff. Abb. 84 a. 85; Abb. 84 a ist eine
Zeichnung von Th. Wiegand, die Gruben wohl nicht bekannt war; mit deren Hilfe - und
der Profilskizze von Altekamp - kann das Profil auf max. 17 bis 18 cm Höhe rekon-
struiert werden, nicht auf die von Gruben postulierten mindestens 20 cm; trotzdem
ist eine solche Torusvariante, im übrigen mit einem ionischen Kyma mit hochgezoge-
nen Zwischenspitzen bemalt, möglich, wie es überhaupt auch in Didyma eine größere
Anzahl von unterschiedlichen Tori gibt als Gruben 1963 bekannt war (Gruben [2001]
401 korrigiert); s. auch Altekamp (1991) 99 und P. Schneider in: E.-L. Schwandner
(Hrsg.), Säule und Gebälk, Kolloquium Berlin 1994, DiskAB 6 (1996) 78-83.
810 Smyrna: J. M. Cook - R. V. Nicholls, The temples of Athena (1998) 175 Abb. 39,
nach E. Akurgal, Alt-Smymal (1983) Abb. 76-78. - Chios: J. Boardman, Exca-
vations in Chios, 6. Suppl. BSA (1967) 66 Abb. 35. - Sardis: Ch. J. Ratte, Lydian
Masonry and Monumental Architecture (1989) 25. 247ff. Kat. B 1 und 2 mit Abb.:
Höhe 20,3 cm, aufgeteilt in sechs Kanneluren. - Delphi, Schatzhaus von Massilia
und anonymes >aiolisches< Schatzhaus: J.-F. Bommelaer, Guide de Delphes. Le site
(1991) 62 ff. 143 f. mit Diskussion und Lit. - In diesem Zusammenhang ist nochmal

daran zu erinnern, daß Krischen in seinen Perspektiven einen kannelierten Wand-
torus rekonstruiert hatte, vgl. Taf. 38 (überarbeitet: jetzt ohne Torus, s.o. Anm. 621
und Kap. V F).
811 Wesenberg (1971) 123. 131 Nr.5 Abb.279 (mit älterer Lit.). - Altekamp (1991)
97 ff. Abb. 84-86; dazu auch Anm. 809. - Das Fragment befindet sich »mit roten
Farbspuren und Ruß vom Grabungshausbrand 1922« im Pergamon-Museum, Berlin
(freundliche Auskunft von V. Kästner).
812 E. Akurgal, Anatolia 5, 1960, 1 ff; ders., AJA 66, 1962, 369ff. bes. 377 Abb. 23;
ders., Eski Qagda Ege ve Izmir (1993) Abb. 104 a; S.Özyigit, Fopa-Phocaea (1999)
23 ff. Abb. (S. 25), dort vorsichtig »architectural element« genannt. - Fragment
Inv. 4393 ist zur knappen Hälfte erhalten und hat die besser konservieile Kyma-
oberfläche, Inv. 4392 ist nur etwa zu einem Drittel erhalten; die Höhen betragen
48,5 cm bzw. 49,9 cm. - Das Material wird auch »Phokaia-Stein« genannt, weil er
überall in und bei der Stadt ansteht und verwendet wurde: ebenda 27 und passim.
813 Der Durchmesser im - glatten - Unterlager beträgt höchstens 93 cm, der Durch-
messer eines Ritzkreises auf dem Unterlager ~70,5 cm; im Zentrum des Oberlagers,
auf dessen glatter Oberfläche ebenfalls ein Kreis in ~ 13 cm Abstand von der Außen-
kante eingeritzt ist (rekonstruierter Durchmesser ~73cm), befindet sich ein rundes
Dübelloch von —6,5 cm Durchmesser und 8,5 cm Tiefe.
814 Zur Diskussion Basis - Kapitell E. Akurgal, Alt-Smyrna I (1983) 80f.; G. Kuhn,
MarbWPr 1986,39 ff; W. Schiering, AA 1989, 373; D. Mertens, Der alte Heratempel
in Paestum und die archaische Baukunst in Unteritalien (1993) 156.
815 W. Alzinger, Augusteische Architektur in Ephesos (1974) 119 ff. Taf. 102 - J. Ganzert,
Jdl 98, 1983, 123 ff. - Altekamp (1991) passim; bes. 76ff. Abb. 57. 58 (Chios).
816 J. Boardman, Chian and Early lonic Architecture, AntJ 39, 1959, 180 Taf.26 d
(Nr. 28); Altekamp (1991) 79 Abb. 60.
817 Dinsmoor (1950) 124ff.; W. Voigtländer, 14. Beih. IstMitt(1975) 15; Weißl (2002)
343.
818 Gruben (1963) 115 ff.; W. Koenigs, IstMitt29, 1979, 187 ff.; O. Ziegenaus, AM
72, 1957, 87 ff. bes. 106 ff. Beil. 108. 109 (»... darf wohl angenommen werden, ...
daß der Steinmetz das Kapitell des archaischen Artemisions von Ephesos nachzu-
ahmen versucht hat«); H. Walter, Das griechische Heiligtum (1990) 132 ff. Abb. 149
(u.E. zu hoch datiert).

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