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Baier, Christoph; Forstenpointner, Gerhard; Galik, Alfred; Prochaska, Walter; Schindel, Nikolaus; Vapur, Özlem; Weissengruber, Gerald E.; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Mitarb.]
Die Palastanlage oberhalb des Theaters von Ephesos (1): Textband — Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2023

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.66553#0537
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536

VIII INTERPRETATION IM KONTEXT

Flavia sehr gute Vergleichsmöglichkeiten. Einen wesentlichen Unterschied bildet jedoch auf den
ersten Blick die Raumform. Zum einen war der Hauptsaal der sog. Basilika an beiden Seiten
von einem schmalen, zweigeschossigen Säulengang flankiert. Zum anderen kann ein massives
Tonnengewölbe für die Basilika angesichts fehlender Spuren an der hoch erhaltenen nördlichen
Raumecke ausgeschlossen werden1398. Cairoli Giuliani argumentierte jedoch, dass ein abgehäng-
tes hölzernes Tonnengewölbe über dem Hauptsaal dazu gedient haben könnte, die notwendigen
Stützbänder einer flachen Holzbalkendecke, die zugleich ein flaches Dach bildete, zu verber-
gen1399. Von einer derartigen Rekonstruktion ausgehend, war der Raumeindruck des Apsidensaals
am Panayirdag jenem der kaiserlichen Basilika auf dem Palatin durchaus ähnlich. Die vermutete
Eindeckung des ephesischen Saals mit einem massiven statt einem hölzernen Tonnengewölbe
mag unter der Anwendung neuer bautechnischer Möglichkeiten erfolgt sein, die an der Großen
Aula der Trajansmärkte und in deutlich kleinerem Maßstab auch bereits an der >Lesche< südlich
der Domus erfolgreich erprobt worden waren. Angesichts der geringeren Spannweite des Saals
war sie zudem leichter zu verwirklichen als im Fall der sog. Basilika der Domus Flavia. Darüber
hinaus könnten die Arkaden des Apsidensaals in der Domus am Panayirdag ähnlich den Säulen-
gängen der sog. Basilika in der Domus Flavia die Möglichkeit geboten haben, dem Geschehen
im Raum beizuwohnen, ohne den eigentlichen Hauptsaal zu betreten.
Die somit in mehrerlei Hinsicht zu konstatierende Vergleichbarkeit des Apsidensaals der
Domus am Panayirdag mit der sog. Basilika des Kaisers auf dem Palatin und die möglichen
konstruktiven Ähnlichkeiten zur Großen Aula der Trajansmärkte lassen daran denken, dass bei
der Anlage des ephesischen Saals bewusst architektonische Anleihen an der stadtrömischen
Palast- und Verwaltungsarchitektur genommen wurden. Die wichtige Vorbildfunktion, die den
apsidialen Repräsentationsräumen der Domus Flavia in Bezug auf spätere Säle zukam, wurde
in der Forschung bereits herausgestrichen1400. Eine Vorbildwirkung der kaiserlichen Palastarchi-
tektur lässt sich zudem auch für die Marmorwandverkleidung des Apsidensaals wahrscheinlich
machen. Wie gezeigt, findet sich für das Inkrustationsschema ein enges Vergleichsbeispiel aus
dem Hauptraum am >Versenkten Peristyl< der Domus Augustana1401.
Der Apsidensaal der Domus am Panayirdag könnte auch seinerseits in seinem näheren Umfeld
als Vorbild für Repräsentationssäle gedient und damit eine Vermittlerrolle im Transfer architek-
tonischer Ausdrucksformen eingenommen haben. Raum 8 in Wohneinheit 6 des ephesischen
Hanghauses 2 aus der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. stellt eines der frühesten bekannten
Beispiele eines apsidialen Bankettsaals in der anspruchsvollen Wohnarchitektur der Kaiserzeit
dar1402. Die innovative Raumform des Apsidensaals 8, die nach derzeitigem Wissensstand inner-
halb der kleinasiatischen Wohnarchitektur ohne zeitgleiche Parallele zu sein scheint, lässt die
Frage nach dem Modell für seinen Entwurf aufkommen1403. Wenngleich vor allem die frühen
Apsidensäle aus Pompeji und Herculaneum verdeutlichen, dass der große Saal der Domus am
Panayirdag keineswegs die einzig denkbare Inspirationsquelle darstellte, erscheint er als mögli-
ches Vorbild im ephesischen Kontext naheliegend. Obschon sich die beiden Säle in architekto-
nischen Einzelheiten und wohl auch in der Nutzung voneinander unterschieden, weisen sie mit
Blick auf ihre Raumform und ihre Gesamtkonzeption wesentliche Ähnlichkeiten auf. Ebenso
wie der Apsidensaal am Panayirdag verfügt der lang gestreckte Raum 8 der Wohneinheit 6 über

1398 Vgl. Finsen 1962, 28-30; Giuliani 1977, 102; Royo 1999, 332.
1399 Vgl. Giuliani 1977, 102.
1400 Vgl. Ziemssen 2006, 188-190, der seinerseits auch die typologische und ideelle Nähe der kaiserlichen Empfangs-
aulen der Domus Flavia zu den apsidialen Tempelcellae hervorhob.
1401 s. dazu Kap. IV.2.2.2, Abschnitt E.
1402 Dazu Thür - Rathmayr 2014, 85-89; Thür 2011, 240-242; Vetters 1978, bes. 214 f. und Vetters 1981b; Haies
2003, 229 f.
1403 Als einen »außerordentlichen Akt der architektonischen Entleihung« verstand auch Ziemssen 2006, 210 die
Errichtung des Apsidensaals in Wohneinheit 6. Allgemein zu den Konventionen in der Übernahme von Archi-
tekturzitaten in der öffentlichen Architektur wie auch in der Wohnarchitektur vgl. von Hesberg 1988, bes. 190 zu
kopierenden Nachahmungen in der römischen Privatarchitektur.
 
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