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VIII INTERPRETATION IM KONTEXT
Provinzhauptstadt Ephesos ist die Vermutung naheliegend, dass der Kaiser gemeinsam mit seiner
engsten Entourage im Palast des Statthalters Quartier bezog1598. Die zeitliche Korrelation der
starken Bautätigkeit in der Domus oberhalb des Theaters ab spättrajanischer Zeit mit den wohl
vier Kaiserbesuchen zwischen 113 und 131 n. Chr. mag in diesem Zusammenhang nicht zufällig
sein. Sollte in dem Gebäudekomplex am Panayirdag tatsächlich der Statthalterpalast der Provinz
Asia zu erkennen sein, könnte die erwartete Anwesenheit Trajans oder Hadrians einen wichtigen
Motor für die Monumentalisierung der Residenz dargestellt haben, um dem Kaiser ein würdiges
Quartier zu bieten1599.
Nicht mit der Annahme vereinbar, dass die Domus am Panayirdag auch als kaiserliche Unter-
kunft dienen konnte, scheint die inschriftliche Überlieferung zu sein, derzufolge Lucius Verus
bei einem Aufenthalt in Ephesos im Jahr 162 oder 163/164 n. Chr. im Haus eines Vedius Ser-
vilius Gaius aus der Familie der Vedier beherbergt wurde, als dieser das Amt des Grammateus
von Ephesos innehatte1600. Wie die archäologischen Befunde aus der Domus nahelegen, dürfte
das Praetorium zu diesem Zeitpunkt jedoch möglicherweise schlicht nicht bewohnbar gewesen
sein, oder es bot keinen ausreichenden Komfort, nachdem es im Erdbeben während der späten
Regierungsjahre des Antoninus Pius wohl starken Schaden genommen hatte und in der Folge wie-
deraufgebaut und durch die Errichtung des Apsidensaals und der Badeanlage im Nordosten noch
repräsentativer ausgebaut wurde. Gerade die nicht unwahrscheinliche Verknüpfung des Saals
mit dem Kaiserkult1601 illustriert von Neuem, dass die unmittelbare Bezugnahme auf den Kaiser
zwar gewiss nicht das einzige, aber dennoch ein wichtiges Moment für Ausbaumaßnahmen an
der Residenz gewesen sein dürfte1602. Selbst wenn eine direkte Verbindung der unterschiedlichen
Baumaßnahmen im Stadtareal oberhalb des Theaters mit Kaiserbesuchen also epigrafisch nicht
belegt, sondern nur auf der Basis chronologischer Zusammenhänge zwischen archäologischen
und historischen Informationen hypothetisch angedacht werden kann1603, mögen diese hypotheti-
schen Szenarien verständlicher machen, vor welchem historischen Hintergrund sich der Ausbau
des Stadtareals oberhalb des Theaters vollzog.
VIII.3 DIE SPÄTANTIKE DOMUS
Am Ende des 4. oder zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. waren weite Teile der Domus von
groß angelegten Neu- und Umbaumaßnahmen betroffen. Archäologisch am besten fassbar sind
diese Aktivitäten der Bauphase Süd-4 im Repräsentationstrakt des Nordflügels am Südperistyl.
Trotz einiger partieller Veränderungen nahmen der spätantike Apsidensaal und seine Vorbereiche
zudem hinsichtlich ihrer räumlichen Gliederung und wohl auch bezüglich ihrer Gestaltung im
Aufriss wesentliche Züge des ursprünglichen Raumkonzepts wieder auf. Gemeinsam mit der
unverändert luxuriösen Ausstattung des Trakts mit reichen opus sectile- und Mosaikböden dürfte
diese Bezugnahme gewisse Nutzungskontinuitäten indizieren.
1598 Allgemein zum Praetorium als einem vom Kaiser genutzten Quartier vgl. Schäfer 2014b, 18 f. Vgl. auch Halfmann
1986, 88 f.
1599 Ein ähnliches Erklärungsmodell erwägt beispielsweise Pöczy 1986, 48 für den severischen Ausbau des Statthalt-
erpalasts von Aquincum in dessen Phase IVa, den sie im Kontext des Besuchs des Septimius Severus versteht.
Schäfer 2014b, 256 erachtet ein derartiges singuläres Ereignis hingegen als unwahrscheinlich. Szilägyi 1956, 192
versteht die Erweiterung der Residenz als baulichen Widerhall des vergrößerten Machtbereichs und der damit
erweiterten materiellen Möglichkeiten des Legaten von Oberpannonien am Beginn des 3. Jhs. n. Chr.
1600 IvE 3072, Z. 19 f. Zur Inschrift und zu den Verbindungen der darin genannten Familie der Vedii zu den Kaisern
Antoninus Pius und Lucius Verus vgl. Halfmann 1986, 132. 134 f; Quaß 1993, 160. 166; Haensch 1997, 299;
Cramme 2001, 305 Anm. 385. Zu den Aufenthalten des Lucius Verus in Ephesos s. z. B. Fündling 2009, 218.
1601 s. dazu bes. Kap. VIII.2.2.1, Abschnitte C und D.
1602 Die wichtige Rolle des Kaiserkults als gemeinsame Klammer unterschiedlicher Bauaktivitäten in Ephesos zwi-
schen domitianischer und hadrianischer Zeit unterstreicht bereits Scherrer 2008, 52.
1603 Auf dieses häufig anzutreffende grundsätzliche Problem bei der Untersuchung der baulichen Maßnahmen anläss-
lich von Kaiserbesuchen verweist bereits Halfmann 1986, 129.
VIII INTERPRETATION IM KONTEXT
Provinzhauptstadt Ephesos ist die Vermutung naheliegend, dass der Kaiser gemeinsam mit seiner
engsten Entourage im Palast des Statthalters Quartier bezog1598. Die zeitliche Korrelation der
starken Bautätigkeit in der Domus oberhalb des Theaters ab spättrajanischer Zeit mit den wohl
vier Kaiserbesuchen zwischen 113 und 131 n. Chr. mag in diesem Zusammenhang nicht zufällig
sein. Sollte in dem Gebäudekomplex am Panayirdag tatsächlich der Statthalterpalast der Provinz
Asia zu erkennen sein, könnte die erwartete Anwesenheit Trajans oder Hadrians einen wichtigen
Motor für die Monumentalisierung der Residenz dargestellt haben, um dem Kaiser ein würdiges
Quartier zu bieten1599.
Nicht mit der Annahme vereinbar, dass die Domus am Panayirdag auch als kaiserliche Unter-
kunft dienen konnte, scheint die inschriftliche Überlieferung zu sein, derzufolge Lucius Verus
bei einem Aufenthalt in Ephesos im Jahr 162 oder 163/164 n. Chr. im Haus eines Vedius Ser-
vilius Gaius aus der Familie der Vedier beherbergt wurde, als dieser das Amt des Grammateus
von Ephesos innehatte1600. Wie die archäologischen Befunde aus der Domus nahelegen, dürfte
das Praetorium zu diesem Zeitpunkt jedoch möglicherweise schlicht nicht bewohnbar gewesen
sein, oder es bot keinen ausreichenden Komfort, nachdem es im Erdbeben während der späten
Regierungsjahre des Antoninus Pius wohl starken Schaden genommen hatte und in der Folge wie-
deraufgebaut und durch die Errichtung des Apsidensaals und der Badeanlage im Nordosten noch
repräsentativer ausgebaut wurde. Gerade die nicht unwahrscheinliche Verknüpfung des Saals
mit dem Kaiserkult1601 illustriert von Neuem, dass die unmittelbare Bezugnahme auf den Kaiser
zwar gewiss nicht das einzige, aber dennoch ein wichtiges Moment für Ausbaumaßnahmen an
der Residenz gewesen sein dürfte1602. Selbst wenn eine direkte Verbindung der unterschiedlichen
Baumaßnahmen im Stadtareal oberhalb des Theaters mit Kaiserbesuchen also epigrafisch nicht
belegt, sondern nur auf der Basis chronologischer Zusammenhänge zwischen archäologischen
und historischen Informationen hypothetisch angedacht werden kann1603, mögen diese hypotheti-
schen Szenarien verständlicher machen, vor welchem historischen Hintergrund sich der Ausbau
des Stadtareals oberhalb des Theaters vollzog.
VIII.3 DIE SPÄTANTIKE DOMUS
Am Ende des 4. oder zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. waren weite Teile der Domus von
groß angelegten Neu- und Umbaumaßnahmen betroffen. Archäologisch am besten fassbar sind
diese Aktivitäten der Bauphase Süd-4 im Repräsentationstrakt des Nordflügels am Südperistyl.
Trotz einiger partieller Veränderungen nahmen der spätantike Apsidensaal und seine Vorbereiche
zudem hinsichtlich ihrer räumlichen Gliederung und wohl auch bezüglich ihrer Gestaltung im
Aufriss wesentliche Züge des ursprünglichen Raumkonzepts wieder auf. Gemeinsam mit der
unverändert luxuriösen Ausstattung des Trakts mit reichen opus sectile- und Mosaikböden dürfte
diese Bezugnahme gewisse Nutzungskontinuitäten indizieren.
1598 Allgemein zum Praetorium als einem vom Kaiser genutzten Quartier vgl. Schäfer 2014b, 18 f. Vgl. auch Halfmann
1986, 88 f.
1599 Ein ähnliches Erklärungsmodell erwägt beispielsweise Pöczy 1986, 48 für den severischen Ausbau des Statthalt-
erpalasts von Aquincum in dessen Phase IVa, den sie im Kontext des Besuchs des Septimius Severus versteht.
Schäfer 2014b, 256 erachtet ein derartiges singuläres Ereignis hingegen als unwahrscheinlich. Szilägyi 1956, 192
versteht die Erweiterung der Residenz als baulichen Widerhall des vergrößerten Machtbereichs und der damit
erweiterten materiellen Möglichkeiten des Legaten von Oberpannonien am Beginn des 3. Jhs. n. Chr.
1600 IvE 3072, Z. 19 f. Zur Inschrift und zu den Verbindungen der darin genannten Familie der Vedii zu den Kaisern
Antoninus Pius und Lucius Verus vgl. Halfmann 1986, 132. 134 f; Quaß 1993, 160. 166; Haensch 1997, 299;
Cramme 2001, 305 Anm. 385. Zu den Aufenthalten des Lucius Verus in Ephesos s. z. B. Fündling 2009, 218.
1601 s. dazu bes. Kap. VIII.2.2.1, Abschnitte C und D.
1602 Die wichtige Rolle des Kaiserkults als gemeinsame Klammer unterschiedlicher Bauaktivitäten in Ephesos zwi-
schen domitianischer und hadrianischer Zeit unterstreicht bereits Scherrer 2008, 52.
1603 Auf dieses häufig anzutreffende grundsätzliche Problem bei der Untersuchung der baulichen Maßnahmen anläss-
lich von Kaiserbesuchen verweist bereits Halfmann 1986, 129.