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31

Der kleine Anbau im Südosten wird eine Abortanlage gewesen sein; eine nördliche Abschlußwand
war bei ihm nicht vorhanden, wie sich aus Schnitt 14 ergab, der keinerlei Mauerreste antraf. Da
die Öffnung immerhin 2 m breit ist, wird man annehmen dürfen, daß hier kein fester Verschluß
bestanden hat. Der kleine Raum muß ein Ziegeldach getragen haben, da Reste von Ziegeln hier
zahlreich umherlagen. Dagegen waren beim ganzen übrigen Bauwerk nur geringe Spuren von Ziegeln
zu sehen; dieses war also vielleicht nur mit Holzschindeln gedeckt.
Mitten im Innern des Hauptraumes fanden sich die Reste einer stattlichen Herdanlage von
U-förmiger Gestalt, die aus Grauwacke, Ziegel- und Tuffbrocken errichtet und etwa 4,00 x 2,50 m
groß war. Sie hatte keinen Abschluß im Norden; im Süden fand sich eine aus Kieseln und Mörtel ge-
mauerte Pfostenunterlage. Eine ganz ähnliche Anlage ist im Badegebäude des Kastells Milten-
berg gefunden worden1). Östlich neben diesem Herd und in seiner Breite trafen wir eine deutliche
Kiesschüttung an, während südwestlich des Herdes eine Brandstelle gefunden wurde, die bis in 20 cm
Tiefe rot verfärbt war; es dürfte sich um eine ältere Feuerstelle handeln. Eine weitere sehr ausge-
dehnte Schüttung von Kieseln und kleinen Ziegelstücken in einer Ausdehnung von mindestens
9 x 15 m wurde vor der westlichen Hälfte der Südmauer des Gebäudes festgestellt. Vielleicht war hier
ein Dreschplatz.
Das Innere des großen Raumes hatte ziemlich einfach bemalten Wandverputz, wie zahlreiche
Reste beweisen, die in der westlich des Hauses gelegenen Abfallstelle 13 (vgl. Kapitel X, A) zu-
tage kamen; es sind ockergelbe, blaßrote und weiße Stücke mit rotem Streifen von etwa 5 cm Breite
beobachtet worden. Die ebenda gefundene Keramik reicht zum Teil bis in die Mitte des 1. Jahrh.
hinauf.
Daß wir es mit einem Wohngebäude zu tun haben, geht aus dem Laubengang und der Herd-
anlage hervor. Da es — abgesehen von dem kleinen Fachwerkhaus über dem Keller in Bau X — die
einzige Anlage dieser Art ist, werden hier wohl die Dienerschaft und das Gesinde untergebracht
gewesen sein. Knechte, Viehhirten und was sonst noch an Hilfskräften für die Landwirtschaft
notwendig war, hausten vielleicht zum Teil in Stall- und Scheunenanlagen, zum Teil in den
Nebenräumen des Gebäudes III sowie in dem Fachwerkhaus über dem Keller von X.
Zwei entsprechende Bauten sind bei Walsbetz in Belgien 2) ausgegraben worden. Oelmann hat
darauf hingewiesen, daß ähnliche Bautypen auf dem bekannten Bauriß des Klosters St. Gallen vom
Jahre 820 wiederkehren, die er mit gallo-römischen Gebäudetypen in Vergleich gesetzt hat3).
Das ehemalige Aussehen der Anlage hat Regierungsbaurat Dr. Mylius (Koblenz) in einer Kreide-
zeichnung zu veranschaulichen gesucht (Taf. 17 oben).
Funde (vgl. Taf. 29 u. 43).
Die Funde entstammen teils der frühen, teils der späten Kaiserzeit4). Dem 1. Jahrh. gehören an:
Wandstück einer Schüssel Dragd. 30 mit Pflanzendekor5); zwei Hälse von weißtonigen Henkelkrügen
wie H Typ 55; Bruchstücke von etwa vier rauhwandigen Reibschalen; Ränder blaugrauer Kochge-
fäße H 87 usw. Ferner T.-S.-Boden mit rückläufigem unleserlichem Stempel6). — Von Glas ist zu
nennen: dickes Randstück und Teil eines Henkels eines urnenartigen Gefäßes sowie Bruchstück einer
Rippenschale, sämtlich aus blaugrünem Glase.
Das Material aus späterer Zeit bis ins 4. Jahrhundert überwiegt bei weitem: Stück eines T.-S.-
Tellers N 1 a; eine vollständig erhaltene (Taf. 29, 4) sowie Reste dreier weiterer Reibschalen; Stücke
zweier verschiedener Tongefäße mit breitem Horizontalrand und einem erhabenen gegliederten
Muster um die Wandung (Taf. 29, 12); Bruchstücke von Bechern mit Grießbewurf N 32a und mit
*) ORL Abt. B Nr. 38 Kastell Miltenberg Taf. 3 Abb. 3, in Raum A.
2) Bull, des Commiss. Royales d’Art et d’Arch. 5, 1866 Taf. 3.
3) Röm. Mitt. 38/39, 1923/24, 206 Abb. 3 Nr. 15. 16 u. 24 sowie S. 207 Abb. 4 e—f.
4) Vgl. S. 26 Anm. 13.
5) Taf. 43, 39; vgl. S. 81. Scherbe vespasianischer Zeit.
6) Taf. 43, 18; vgl. S. 84, 18. Feine gallische Tasse.
 
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