Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

IV. Das Hauptgebäude oder Herrenhaus (Bau II).
Hierzu Tafel 2—6, Tafel 11, Tafel 14—15 und Tafel 19—20.
Im Mittelpunkt einer jeden Gutshofanlage pflegt in der Regel ein Gebäude zu liegen, das durch
seine stattlichen Ausmaße und die Zahl seiner Innenräume auffällt: die Wohnung des Besitzers oder
das Herrenhaus. Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Bau von etwa 25 : 59 m Größe
mit 30 Räumen (Bau II auf Taf.2 u.3). Eine Vorstellung von der Größe des Gebäudes vermitteln
die beiden Ansichten Taf. 20, 1 und Taf. 20, 3. Vom aufgehenden Mauerwerk war nirgends mehr et-
was vorhanden, was bei der geringen Tiefenlage unter dem Ackerboden nicht wundernimmt. So waren
auch nirgends mehr Türen und — mit Ausnahme der beheizten Räume 1, 3, 6, 25 und 27 — Fuß-
böden kenntlich. Lediglich die Fundamentmauern waren noch erhalten, die je nach ihrer zeitlichen
Entstehung aus verschiedenartigem Material bestanden; dies wird unten bei der Beschreibung der
Räume jeweils angegeben werden.
Unter diesen Umständen wäre es ganz unmöglich gewesen, ohne Querschnitte eine Trennung
der Reste in Älteres und Jüngeres vornehmen zu wollen Q. Man mußte sonst damit rechnen, Mauer-
fluchten zu übersehen, weil sie gelegentlich späterer Umbauten oder Vergrößerungen bis unter die
Oberfläche weggenommen oder sogar gänzlich ausgebrochen sein konnten, so daß nur noch die Funda-
mentgrube übrigblieb. Um nur ein paar Beispiele zu nennen, sei gesagt, daß oberflächlich von dem
Vorhandensein des Mauerrechteckes, das von den Fluchten 77—78—83—98—100—95—93 (Taf. 4
unten) gebildet wird, nichts zu erkennen war; dasselbe gilt von den Mauern des älteren östlichen
Laubenganges 45—46 wie von der südlichen Laubengangmauer 31, deren Material restlos beseitigt
war. Ob ferner in zwei Mauerfluchten die gleiche Art und dasselbe Gefüge des Mauerwerks, d. h.
durchgehender Mauerverband, vorhanden ist, ob beide Fluchten in der gleichen oder aber in ver-
schiedener Höhenlage liegen, schließlich, ob Mauerfugen und Absätze oder gar gewachsener Boden
zwischen beiden vorhanden ist, das alles kann nur geklärt werden, wenn man in die Tiefe geht, d. h.
das Fundamentmauerwerk anschneidet. Im vorliegenden Falle konnte dies um so unbedenklicher
geschehen, als die Art der Erhaltung der Reste ihre dauernde Sicherung von vornherein ausschloß.
Auch war der Planierungsplan derart, daß die gesamten Reste bei der Anlage der ,,Jahnwiese“
verschwinden mußten. Zur Klärung der Baugeschichte wandten wir deshalb das in Kapitel II
geschilderte Verfahren an und legten allenthalben Schnitte durch das Mauerwerk.
A. Baugeschichte.
Hierzu Tafel 5 und 6.
Dem ältesten Teil des erhaltenen Steinhauses gingen Anlagen aus früheren Zeitabschnitten
an derselben Stelle voran. Davon zeugen einmal Feuersteingeräte und einiges Scherbenmaterial,
das oben in Kapitel III kurz behandelt worden ist, dann aber auch folgende deutliche Siedelungs-
spuren:
Zuerst vermuteten wir in ihnen kleine Pfostenlöcher. Sie fanden sich aber dann — vor allem im südlichen Teil der
Ostlaube, nördlich des großen Kellers — so zahlreich, daß keinerlei Ordnung festzustellen war. Wir vermuteten des-
halb in ihnen Hamsterlöcher und zogen den Direktor des Naturhistorischen Museums, Professor Janson, zu Rate.
Er konnte sich für eine bestimmte Deutung nicht mit Sicherheit entscheiden, zumal die Tiefe unter der Ackerober-
fläche zum Teil 1,50 m und mehr betrug, also gegen Hamster zu sprechen schien. Bei weiteren Beobachtungen ergab
sich aber dann doch mit Sicherheit, daß es sich um Laufgänge von Hamstern oder ähnlichen Tieren handeln muß,
da die Gänge nicht senkrecht in den Boden hinab gingen, sondern teilweise in Kurven und Winkeln.
1) Wenn aufgehendes Mauerwerk vorhanden ist, liegen die Verhältnisse natürlich günstiger. So schreibt Oel-
mann über die Ermittlung der verschiedenen Bauperioden des Herrenhauses von Blankenheim in der Eifel, B. J. 123,
1916, 213: „Vor allem der Umstand, daß bei einigen Umbauten das Fußboden-Niveau verändert und ein sichtlich
anderer Mörtel, zuweilen auch anderes Steinmaterial verwandt worden ist, als es die älteren Mauerteile zeigen, gibt
die Möglichkeit, die Baugeschichte im wesentlichen klar zu erkennen.“
 
Annotationen