Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
109

lagert wird 1)> offenbar in der Absicht, eine repräsentative, alles Willkürliche verdeckende, streng
symmetrische Schauseite zu schaffen. In den Fällen, die eine organische Verbindung der Porticus-
fassade mit den dahinterliegenden Bauteilen aufweisen, befindet sich meist hinter der Porticus,
in der Regel in deren Mitte, ein durch seine Größe ausgezeichneter Saal, ein Oecus, der etwa dem
Tablinum des pompejanischen Stadthauses entspricht und als Speiseraum anzusprechen ist2).
Mit welcher dieser Möglichkeiten haben wir es nun in unserem Falle zu tun? Zunächst schien
es außer allem Zweifel, daß der südliche Teil des großen, hinter der Porticus gelegenen Rechteckes,
der aufgeteilte Komplex zwischen der Nordmauer von 13—14 und der Südmauer von 21. 22 und 23,
der älteste Kernbau sei. Der in der Mitte dieser Gruppe liegende Raum 18 wäre in diesem Falle
der Oecus gewesen, dem sich ein zweiter, rückwärtiger (17) angeschlossen hätte. Genau derselben
Anordnung begegnen wir bei dem Kernbau der Villa von Fließem 3), bei der sogar die tatsächlichen
Dimensionen (zwischen den Risaliten) fast dieselben sind wie hier (Fließem 23,00 : 13,15 m;
Müngersdorf 23,70 : 13,50 m). Auch die Breite der Oeci ist bei beiden Bauten dieselbe (F. 4,35 m;
M. 4,40 m). Trotzdem konnte diese verlockende Deutung nicht weiter verfolgt werden, und die
bereits von der Ausgrabungsleitung weitgehend geleistete Vorarbeit der Bauperiodenbestimmung
(Taf. 4 ff.), die noch durch eingehende Sonderuntersuchungen der für eine Erweiterung des Kern-
baues in Frage kommenden Maueranschlüsse ergänzt wurde, bewahrte vor einem schweren Irrtum.
Denn es ergab sich einwandfrei die Gewißheit, daß der genannte Komplex mit den Räumen 10 und
11 und dem Nordrisalit 8 gleichzeitig entstanden sein muß. Um so mehr befremdete nun die weitere
Tatsache, daß der Südrisalit 29 zweifellos einer anderen Bauperiode angehört, die beiden Risalite
also nicht gleichzeitig sind. Keine der oben genannten typischen Entstehungsformen liegt demnach
vor, und wir müssen uns nach einer anderen Erklärung umsehen.
Wie Taf. 5 oben zeigt, gehört auch noch der Raum 28 zur frühesten Bauperiode, und der Süd-
risalit 29 erscheint nicht, wie der im Norden, an die Ecke angegliedert, sondern um die Breite von
Raum 28 nach Norden verschoben. Offenbar aber war anfangs geplant, dem Hauptbaukörper die Aus-
dehnung zwischen Nordwand von 10 und Südwand von 28 zu geben; denn der Oecus 16 liegt genau
in der Mitte zwischen diesen beiden Wänden. Wir können hieraus schließen, daß es sich bei der
Anfügung des Südrisalites um eine Entwurfsänderung handelt: man schränkte das Bauvorhaben
ein und begnügte sich mit einer geringeren Frontausdehnung, wobei man allerdings die exzentrische
Lage des Oecus 16 mit in Kauf nehmen mußte. Den überschießenden Raum 28 machte man nunmehr
zur Seitenporticus und fügte symmetrisch zu ihr später eine gleiche im Norden an, wo sie zwischen
dem Risalit 8 und dem ebenfalls zur ersten Periode gehörenden Raum 4 eingespannt erscheint.
Daß sie hier erst nachträglich angebracht wurde, ist erwiesen durch eine 15 cm starke Schicht
gewachsenen Bodens beim Anschluß der Porticusmauer, oder vielmehr der diese später ersetzenden
Mauer des Apodyteriums, an den Risalit 8. Dem Raum 4 hat ein gleicher im Süden nicht ent-
sprochen, so daß gegen Osten eine Symmetrie niemals bestand. An dieser Ecke hat man vielmehr,
wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Risalit 29, einen Keller 24 angelegt, dem die ehemalige Ost-
mauer von Raum 28 zum Opfer fiel. Der Keller hat auffallend schwache Mauern, so daß man nicht
annehmen kann, daß er einen Aufbau von der Höhe der Westrisalite getragen habe. Irgend einen
Aufbau muß er aber gehabt haben, denn der spätere heizbare Raum 25 lehnt sich an ihn ohne
besondere Abschlußmauer an. Es ist wahrscheinlich, daß sich hier das Dach der Porticus um die Südost-
ecke des Hauptbaues herumkröpfte und unter ihm ein Raum über den Kellermauern bestanden habe.
Hierauf weist das nördlichvom Kellergelegene Fundament einerQuermauerinder späterenOstporticus
hin, die offenbar einer Erweiterung dieses Eckraumes nach Norden zu entstammt; man nahm diese
unter dem Porticusdache vor, nachdem der Keller als solcher nicht mehr benutzt und sein Zugang
vermauert wurde. Auf diese Erweiterung wird weiter unten noch einmal zurückzukommen sein.
1) Wie bei der Villa von Leutersdorf (vgl. Swoboda a. a. 0. 108).
2) Bei der Villa von Nennig ist der Platz für das Triclinium im Mosaikboden des Oecus deutlich gekennzeichnet
(v. Behr, Die römische Villa in Nennig, Zeitschr. f. Bauwesen 1909, 314).
3) Vgl. Mylius, B. J. 129, 1924 Taf. 7.
 
Annotationen