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Die Gartenkunst — 29.1916

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Heicke, C.: Kriegsbeschädigtenfürsorge im Gartenbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0020

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den Ersatz einer fehlenden Hand herzustellen. Man
braudit ja schließlich aber nicht nur mit den Ver-
hältnissen vor dem Kriege zu rechnen, sondern
kann auch einen Weiterbau derselben ins Auge
fassen. Der Krieg hat u. a. die Wichtigkeit der
weiteren Entwickelung des Obst- und Gemüsebaues
gezeigt. Es erscheint recht wohl möglich, eine große
Zahl von Obst- und Gemüsewärtern auszubilden
und segensreich zu verwenden, die durch den Ver-
lust eines Armes verhindert sind, den Obst- und
Gemüsebau selbst arbeitend zu betreiben, wohl
aber als Unterweiser und Lehrer noch den größten
Nutzen bringen können."

„Eine neuzuschafFende Berufsgruppe wäre hierbei
vielleicht die der Spezialisten für die Bekämpfung
von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten. Die
wissenschaftliche Tätigkeit, die Tätigkeit der Lehr-
anstalten und schon vorhandenen Wanderlehrer
hierin ist mir natürlich bekannt. Es handelt sich
jetzt darum, den Obst- und Gemüsebaubezirken Leute
in größerer Zahl zur Verfügung zu stellen, die den
Vorarbeitern gleichzustellen sind und die bestimmte
für sie ausführungsfähige Arbeiten für eine begrenzte
Anbaugenossenschaft regelmäßig ausführen oder
anleiten."

„Als dritte Gruppe sind vorseitig solche be-
zeichnet, deren körperliche Rüstigkeit allgemein ge-
litten hat. Die Gliederung in Gruppen geschieht
natürlich nur in der Absicht, eine eindringlichere
Überlegung und Besprechung herbeizuführen. Von
einer schematischen Trennung kann selbstverständ-
lich nicht die Rede sein. Die bei eins und zwei
angeführten Beschäftigungen gelten teilweise auch
für die dritte Gruppe, man muß aber weitergehen
und auch Tätigkeiten und Erwerbsmöglichkeiten für
die suchen, die sich aus irgend welchen Gründen
schwer in einen Betrieb einfügen lassen. Die staat-
liche Unterstützung gibt ja allen diesen Invaliden
einen gewissen Rückhalt, sodaß kleine Geschäfts-
gründungen oder die Übertragung von Verkaufs-
stellen, die ja den Mann nur zum Teil zu ernähren
brauchen, aussichtsvoll erscheinen. Neben der Ein-
richtung von solchen käme auch besonders in Frage
der Betrieb bescheidener Pflanzenanzuchtsteilen und
die Übernahme und Beratung kleinerer Arbeiten
im Anschluß an Schrebergärten oder in Garten-
städten. Diese Betätigung hätte meines Erachtens
eine große steigende Bedeutung. Eine kleine An-
leitung, die den Schrebergartenbesitzern bequem
zur Verfügung stünde, kann entscheidend für das
Aufblühen einer solchen Anlage sein und würde
auch keineswegs die eigentlichen Gärtnereien schä-
digen, sondern dem Gartenbau neue Freunde und
neue Kunden zuführen. Für einen Teil allgemein
Beschädigter wird auch die Beschäftigung auf Büros
in Frage kommen."

„Diese kurze Zusammenstellung von Beschäf-
tigungsmöglichkeiten macht keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, zeigt aber schon, daß die Möglich-
keit, Kriegsbeschädigte in der Gärtnerei zu beschäf-
tigen, recht groß ist. Es kommt nur darauf an, daß
sich alle Beteiligten Mühe geben, den Beschädigten
die Wege durch liebevolle Geduld, durch Unter-
weisung, durch Rücksichtnahme in der Betriebs-
einteilung, Herstellung passender Hilfsgeräte usw.
zu ebnen."

Die vom Reichsverband einberufene Vertreter-
versammlung in Erfurt beschloß bekanntlich, unter
Führung des Reichsverbandes einen Fürsorge-Aus-
schuß zu bilden, der mit den zuständigen Behörden
und Körperschaften im ganzen Reiche in Fühlung
treten und die Sorge für die Unterbringung kriegs-
beschädigter Gärtner und die Verwendung Kriegs-
beschädigter aus anderen Berufen im Gartenbau
in die Hand nehmen soll."

Diesem Ausschuß gehören Vertreter von 29 dem
Reichsverband angeschlossenen gärtnerischen Ver-
einigungen, ferner solche der Gärtnerei-Berufsge-
nossenschaft, der Gärtnerkrankenkasse in Hamburg,
der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft, des Deut-
schen Vereins für ländliche Wohlfahrtspflege, des
Reichsausschusses für Kriegsbeschädigtenfürsorge,
des Preußischen Landwirtschaftsministeriums, des
Zentralkomitees vom Roten Kreuz, verschiedener
örtlicher Fürsorgestellen, der königlichen Lehran-
stalten Dahlem, Geisenheim und Proskau u. a. an.
Der gärtnerische Fürsorgeausschuß ist gleichzeitig
Mitglied des Reichsausschusses für Kriegsbeschä-
digtenfürsorge und in diesem vertreten durch den
Reichsverbandsvorsitzenden Exzellenz Dr. Thiel und
in dessen Vertretung durch den Generalsekretär
S. Braun.

Der Fürsorge-Ausschuß hat am 13. November
vorigen Jahres in Berlin eine Sitjung abgehalten,
in der Herr Braun ausführlich über Umfang, Ar-
beitsweise und voraussichtliche Erfolge der amt-
lichen und privaten Kriegsbeschädigten-Fürsorge
im Deutschen Reich Bericht erstattet hat. Danach
läßt sich die gesamte Fürsorgetätigkeit im Reich
unter den Stichworten: Berufsberatung, Berufs-
wechsel und Arbeits- und Stellenvermittelung zu-
sammenfassen.

Grundsätzlich soll angestrebt werden, die Kriegs-
beschädigten, wenn irgend möglich ihrem alten
Beruf zu erhalten. Die Tätigkeit der Beratungs-
stellen soll in dieser Hinsicht durch Vertrauens-
männer aus den verschiedenen Gartenbaugebieten
unterstützt werden.

Für etwaigen Berufswechsel innerhalb des Gar-
tenbaues wie auch aus anderen Berufen zum Gar-
tenbau ist die Einrichtung von Lehrstätten und
anderen Ausbildungsgelegenheiten ins Auge gefaßt.
Das Landwirtschaftsministerium ist ersucht worden,
die Gärtnerlehranstalten hierbei als besonders ge-
eignet heranzuziehen.

Herr Braun warnte aber auch vor der Über-
schätzung des Gartenbaues als Allheilmittel für
alle möglichen Kriegsbeschädigten. So willkommen
brauchbare Arbeitskräfte im Gartenbau schon jetzt
und nach dem Kriege sein werden, so wenig darf
erwartet werden, daß ohne weiteres der Garten-
bau jedem beliebigen Kriegsbeschädigten bequeme
Erwerbsmöglichkeiten bieten wird. Auch das Siede-
lungswesen, eine an sich schöne und verheißungs-
volle Sache, kann nach Braun's Ausführungen und
nach Darlegungen, die im Verlauf der an Braun's
Ausführungen anschließenden Besprediung gemacht
wurden, nur mit Vorbehalt für die Kriegsbeschä-
digten in Aussicht genommen werden. Es dürfte
sich herausstellen, daß Erfolge hierbei nur erzielt
werden, wenn neben Gartenbau auch noch eine
andere Berufstätigkeit ausgeübt werden kann.

Um die Ansprüche, welche an eine wirksame
Stellenvermittelung gestellt werden müssen, zu er-
mitteln, erscheint ein Fragebogen erforderlich, der
vom Reichsausschuß aufgestellt und verbreitet
werden soll.

Von verschiedenen Rednern wurde in den Ver-
handlungen auf die Notwendigkeit hingewiesen,
daß bestimmte Stellungen, die später durch Kriegs-
beschädigte versehen werden können, schon jetzt
für solche vorbehalten werden, daß überhaupt er-
mittelt werde, welche Art von Kriegsbeschädigten
für die verschiedenen Zweige der Gärtnerei in Frage
kommen könnten, daß besonders die Gemeinde-
verwaltungen, soweit es irgend angehe, die Ver-
wendung Kriegsbeschädigter in ihren Gärtnereibe-
trieben für die Zukunft ins Auge fassen.

Die Aufstellung einer besonderen Geschäftsord-
nung für den gärtnerischen Fürsorge-Ausschuß er-

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