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Die Gartenkunst — 29.1916

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Engelhardt, Walter von: Deutsche Heldenhaine
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0044

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das man wohl gelegentlich einer Captatio bene-
volentiae zugestehen darf. Lange stellt hier u. a.
die Behauptung auf, daß seine Heldenhaine im
Sinne des Volkes, das in den Krieg zog, wie nichts
anderes den Gedanken eines „Volksdenkmals"
verkörpern, und daß ihre Ausführung für „Euch"
schlechtweg eine Pflicht ist, mit der man den letzten
Willen der Gefallenen erfüllt. Ich halte eine der-
artige Behauptung zum mindesten für — gewagt,
auch dann, wenn Lange, wie er sagt, sich auf die be-
geisterte Zustimmung von Tausenden stützen kann.
Denn man darf füglich einwenden, daß Tausende
nur ein Bruchteil von Millionen sind und noch nicht
die Entscheidung in einer Frage geben können, die
Lange selbst unter dem Gesichtspunkt einer
deutschen Kulturtat betrachtet wissen will.
Und eben deswegen vor allem kann nicht scharf
genug Stellung genommen werden. Denn wer im
Namen des deutschen Volkes zu sprechen glaubt
und sich als Träger eines deutschen Kulturgedankens
fühlt, der sollte sich zum mindesten darüber klar
sein, daß Pathos und Phrase stumpfe Waffen sind.

Lange selbst schätzt es ja sehr niedrig ein,
daß es gerade einem Gärtner vorbehalten war,
einen solchen Gedanken zu erfassen. Ich glaube
aber, daß für die, welche ihm zustimmten, gerade
das schwer ins Gewicht fiel. Denn das Ansehen und
der klingende Name eines gärtnerischen Fachmannes
war ihnen Gewähr, daß dieser Gedanke sich nicht
nur überhaupt verwirklichen ließe, sondern seine
Verkörperung auch einmal dem von ihnen erträumten
Bilde gleichen würde. Ich glaube daher, daß ge-
wissenhafte Nachprüfung des Heldenhaingedankens
geradezu eine Pflicht des gärtnerischen Berufs
denen gegenüber ist, die in ihrer warmen Begei-
sterung den Maßstab für die leider oft nüchterne
Wirklichkeit verloren oder aus andern Gründen
einen solchen überhaupt nicht besitzen konnten.

Und da muß ich gleich wiederholen, was ich
schon zu Anfang sagte: Aus August 1914 wurde
Winter 1915. Verglichen mit damals, liegen die Ver-
hältnisse heute doch gänzlich verändert. Wer konnte
damals ahnen, welche furchtbaren Blutopfer dieser
Krieg fordern würde? Der Heldenhaingedanke unter
dem Gesichtspunkt 1914 mag verständlich sein, —
zu behaupten, daß er es heute noch ist — ich
spreche nicht von morgen — ich bekenne, daß ich
den Mut dazu nicht habe. Denn wir könnten —
wenigstens für unsere Großstädte, also dort, wo
auch Lange die Verwirklichung seines Zieles am
wichtigsten erscheint — kaum noch von Helden-
hainen sprechen, — aus Hainen würden Wälder!

Wie denkt sich aber der „Gärtner" die Ver-
wirklichung derselben? Denn, wie Lange selbst es
sagt, um eine Aufforstung und forstgerechte Durch-
bildung kann und soll es sich nicht handeln. Den
Eichen soll sofort der Platz zugewiesen werden,
dessen sie für ihre 100jährige Entwicklung bedürfen.
Die Städte — ich will nur von ihnen hier sprechen —
müssen sich also entschließen, sehr beträchtliche
Landflächen für die Heldenhaine und — Wälder
herzugeben. Wenn wir Lange folgen und für jede
Eiche nur 8 Meter im Geviert annehmen, sodaß
auf den Hektar rund 150 Bäume kämen, so ist es
bei Einstellung selbst nicht hochgegriffener und nur
bis auf den heutigen Tag berechneter Verlustziffern
— leider — klar, daß die Beschaffung des nötigen
Grund und Bodens schon an sich eine kaum zu
lösende Aufgabe darstellt und genügen kann, den
Gedanken wenigstens in der gefaßten Form unaus-
führbar zu machen. Denn vergessen wir nicht, daß
diese Ländereien unwirtschaftlich angelegt werden
müssen und sollen, und zwar nicht nur unmittelbar,
indem sie selbst nichts erbringen, sondern auch
mittelbar, indem sie in keiner Weise durch Auf-

schließung und Beeinflussung der Bebauungsmöglich-
keiten neue Werte und Einnahmequellen schaffen.
Denn es ist doch klar, daß diese Heldenhaine ein
geschlossenes Ganze bilden und nicht von Verkehrs-
adern durchquert und auseinander gerissen werden
sollen, sie sich daher überhaupt nicht, wie es unsere
Grünanlagen tun, einem Bebauungsplane anpassen
können. Es bliebe als einzige Möglichkeit, daß der
Staat weit außerhalb der städtischen Bebauung
Landstrecken zur Verfügung stellte, vorausgesetzt
auch hier, daß nicht Bodengesellschaften bereits ihre
Hand auf diese Gebiete legten oder sonstige Be-
sitzverhältnisse einen mehr oder weniger kostspie-
ligen Erwerb bedingen. Das ist die eine Seite der
nüchternen Wirklichkeit, die nicht gerade ermuti-
gend ist.

Wie nun aber die Pflanzung selbst? Es muß
leider angenommen werden, daß in den allermeisten
Fällen — ich spreche immer im Anschluß an unsere
größeren und Großstädte — das in Frage kom-
mende und zur Verfügung stehende Land nicht ge-
rade solches ist, das ein Gedeihen der Eichen ohne
weiteres gewährleistet, — denn wie das hier, man
kann sagen — durchweg der Fall ist, ist alles gün-
stige Gelände bereits gartenmäßig oder doch land-
wirtschaftlich ausgenützt. Und selbst, wo es städti-
sches Eigentum sein sollte, ist es aus rein wirt-
schaftlichen Gründen, die nach dem Kriege eher
schwerer wiegen werden, mehr wie fraglich, ob die
Behörden solches zur Verfügung stellen. — Auch
Lange rechnet damit, daß er mit den Heldenhainen
auf ungünstiges Terrain angewiesen sein kann, —
wenn ihm das auch wohl die Ausnahme und nicht
die Regel bedeutet. Er macht uns Vorschläge für
Entwässerung, Windschutz und Bodenverbesserung.
Unfaßbar ist es mir aber — und muß es jedem
Gärtner sein —, wie diese Dinge in einer Weise
erledigt werden, als wären sie für die Durchführ-
barkeit des Werkes von ganz untergeordneter Be-
deutung.

Das muß doppelt wundernehmen, wo die
„Kostenlosigkeit" für Lange fast der Ausgangs-
punkt seines Gedankens ist. Es ist nicht nötig, als
Fachmann ein Licht vor dem Herrn zu sein, um zu
wissen, daß derartige „Meliorationen" großen Um-
fangs etwas sehr kostspieliges sind und ihre Durch-
führung nur dort ratsam ist, wo sie erhebliche
wirtschaftliche Vorteile zur Folge haben. Von solchen
kann und soll ja auch bei den Heldenhainen keine
Rede sein, aber man kommt daher auch nicht drum
herum, daß zu ihrer Ausführung ganz erhebliche
Geldmittel zur Verfügung stehen müssen, für die
vom wirtschaftlichen Standpunkte eine Verzinsung
nicht zu erwarten ist, selbst bei der Voraussetzung,
daß der Staat die Landflächen unentgeltlich zur
Verfügung stellen könnte.

Aber nicht genug mit diesen einmaligen grund-
legenden Ausgaben, zu denen ich auch die Pflanzung
selbst rechnen will, weit schlimmer und nicht zu
umgehen scheinen mir die Ausgaben, die für die
Unterhaltung der Haine aufgebracht werden müssen.
Lange verwahrt sich freilich dagegen, etwa „Anlagen"
ausfuhren zu wollen, aber mit Schlagworten wie
„Wildwachstum" überzeugt man keinen Fachmann.
Junge und alte Bäume bedürfen der Pflege, ob sie
in einer Anlage stehen oder „wild wachsen". Der
Forstmann kann diese Pflegekosten auf ein Mini-
mum herabdrücken, ein Ausfall aus irgend welchen
Ursachen ist bei ihm von vornherein in Rechnung
gestellt. Wie aber bei den Heldenhainen, wo die
Gefahr des Ausfalls infolge von Windbruch, Trocken-
heit, Ungeziefer und — Unfug eher größer als kleiner
ist? Hier d ar f kein Ausfall sein, denn an jeden
Baum knüpft sich ein Name, hier bedarf es im
Gegenteil ganz besonderer Pflege und Aufmerksam-

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