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Die Gartenkunst — 29.1916

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Heicke, C.: Die Hauptversammlung 1916 der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst
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von dem Ziele aufkommen zu lassen, das sich
die Gesellschaft gesteckt habe.

Gartendirektor Bromme erläuterte im An-
schluß an diese Ausführungen, worin im Wesent-
lichen die Aufgabe des Gartengestalters beim
Wiederaufbau in Ostpreußen bestehe. Er stützte
sich hierbei auf die Wahrnehmungen, die er bei
einer Bereisung von Stadt und Kreis Lotzen, im
Auftrag des Magistrats von Frankfurt, der Pa-
tenstadt Lötzens, gemacht hat. Er sei erstaunt
gewesen, über die Fülle von größeren und klei-
neren Aufgaben, die in diesen ostpreußischen
Städten zu lösen seien. Vor allen Dingen sei
wichtig, daß alle üble Verschönerungs-Klein-
arbeit des Kunst- und Landschaftsgärtners ver-
hütet und die verfügbaren Mittel wirklicher Kul-
turarbeit zugeführt würden. Die Hebung des
Gartenbaues im allgemeinen, des Gemüse- und
Obstbaues im besonderen sei sehr dringlich. Hier
herrschten vielfach noch sprichwörtlich polnische
Zustände. Die Gründung von Gartenbauvereinen,
die Mitwirkung bei Siedelungen auf aufgeteilten
Rentengütern, maßvolleVerschönerung des Land-
schaftsbildes und des Stadtinnern mit einfach-
sten Mitteln und dergleichen seien anzustreben.
In dieser Richtung wirksamen Einfluß auszu-
üben, dürfte durch Fühlungnahme mit den Paten-
städten und Patenkreisen zu erreichen sein,
denen nicht in allen Fällen tüchtige Berater in
der Person eigener Gartenbeamten zur Verfügung
ständen. Er empfehle der Gesellschaft dringend,
neben der beratenden Mitwirkung beim Kriegs-
hilfsausschuß diesen Weg zur Gewinnung von
Einfluß auf ihrem Arbeitsgebiet ins Auge zu
fassen. Gerade die Patenstädte hätten sich ja
zur Aufgabe gestellt, da zu helfen, wo die staat-
lichen Mittel nicht ausreichten, und hier sei Neu-
land, durch dessen Erschließung die Gesellschaft
Segen stiften könne.

Hiermit waren die Verhandlungen über
Gegenstände allgemeiner Bedeutung erledigt.

Es bleibt noch übrig, über die rein ge-
schäftlichen Angelegenheiten zu be-
richten. Die Erstattung des Jahres- und Kassen-
berichtes wurde entgegengenommen und erledigt,
ohne daß zu besonderen Erörterungen Veran-
lassung gefunden wurde. Die namens des Kas-
senprüfungs-Ausschusses von Gartenbaudirektor
Enke, Cöln, beantragte Entlastung des Schatz-
meisters wurde durch die Versamlung ausge-
sprochen. Die Besprechung der Geschäftslage und
Tätigkeit der Gesellschaft gab dem Vorsitzenden
Veranlassung, über die Gesichtspunkte bei der
Auswahl von Vertretern der Gesellschaft für
verschiedene Zwecke Aufschluß zu geben. Der
Voranschlag für 1917 wurde in Einnahme und
Ausgabe mit Mk. 22 200. — genehmigt mit der
Maßgabe, daß der Zuschuß aus der Hauptkasse
an die Gruppen auf Mk. 1.— für jedes Gruppen-
mitglied nach dem derzeitigen Stand bemessen

wird. Bei Besprechung eines Reichsgerichtsur-
teiles teilte der Vorsitzende mit, daß es sich um
die Begründung einer Reichsgerichtsentscheidung
handle, in der gesagt ist, es sei bei Gartenbau-
firmen im Verkehr mit Staatsbehörden üblich,
keine Vergütung für Entwurfarbeiten zu ver-
langen. Der Vorstand wurde beauftragt, geeig-
nete Schritte zur Erzielung einer Richtigstellung
zu unternehmen. Hinsichtlich der Druckschrift
der „Gartenkunst" stimmte die Versammlung
dem Beschluß des Ausschusses zu, wonach vor-
erst die seitherige Antiquaschrift beibehalten
werden soll. Die Bestimmung des Tagungsortes
für die nächstjährige Hauptversammlung wurde
dem Vorstand im Benehmen mit dem Auschuß
anheimg estellt.

Nach Abwicklung der Tagesordnung dankte
der Vorsitzende allen Teilnehmern für die Auf-
merksamkeit und die rege Anteilnahme, mit der
sie den Verhandlungen gefolgt waren und sich
an der Aussprache beteiligt hatten. Er schloß
die Sitzung, die, nur von einer knappen Mittags-
pause unterbrochen, von vormittags 10 Uhr bis
5 1ji Uhr nachmittags gedauert hatte, mit dem
Wunsche, daß die Versammlungsteilnehmer bei
den sich anschließenden Besichtigungen ihre Er-
fahrungen bereichern und für die weitere Dauer
ihres Aufenthalts in Cassel angenehme Stunden
verleben möchten.

*

Den Rest des Tages benützte man unter
Führung von Gartenbaudirektor Junge zum Be-
such der Carls-Aue, des alten Schloßgartens der
hessischen Landgrafen und Kurfürsten, der heute
im eigentlichen Sinne die Aufgabe des Stadt-
und Volksparkes für Cassel erfüllt. Am andern
Tage frühmorgens ging es hinauf nach Wilhelms-
höhe, dessen Schloßgärtnerei und ausgedehnte
Anlagen unter Führung von Hofgärtner Virchow
besichtigt wurden. Der Nachmittag galt dem ab-
seits der Heerstraße gelegenen verschwiegenen
Lustschloß Wilhelmsthal, zu dem man von
Wilhelmshöhe auf landschaftlich reizvollem Wege
in zweieinhalbstündiger Wanderung hingelangte.
Das Schloß ist wegen der reichen Ausstattung
seiner Räume mit Schnitzereien, Porzellanen und
sonstigen Kunstgegenständen bedeutend. Pracht-
volle Buchenalleen, deren einzelne Bäume auch
von den Kopenhagener Buchen nicht übertroffen
werden, finden sich in seiner nächsten Umgebung.

Die Versammlungsteilnehmer sind befriedigt
von Cassel geschieden. Nicht wenig mag zu dem
angenehmen Verlauf der Tagung der Umstand
beigetragen haben, daß man im Gegensatz zu
den letzten Jahren vor dem Krieg, wo die Haupt-
versammlungen der Gesellschaft sich in den
Rahmen der Gartenbauwochen des Reichsver-
bandes für den Deutschen Gartenbau fügten,
einmal wieder unter sich war und weder in der
Erledigung der beruflichen Aufgaben noch im

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