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Die Gartenkunst — 29.1916

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Klawun, Paul: Ein Frühlingsmorgen im Park von Sanssouci
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0187

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Aus dem Park des Schlosses Schlenderhatin an der Ertt.

Aufnahme von G. Heick, Kerpen.

genen Werke geleitet haben. Von dem Säulen-
vorhof mit dem Thorwaldsensdien Christus aus-
gehend, beherrscht ein landschaftlicher Leffcatz
die große Mittelachse, die in ihrer Längsrichtung
seitlich von je einem klug ersonnenen Gehölz-
system umschlossen wird. Dahinein ist eine
Fülle von landschaftlichen Nebentönen einge-
woben, die in sich immer wieder neue reichere
Töne zeigt, wenn das Sonnenlicht hineinspielt
und Form und Farbe schärfer hervortreten läßt.
Auch die Töne der immergrünen Eiben, Zypressen
und Buchsbäume, mit denen die Laubgehölze
durchsetzt sind, kamen im März besonders wohl-
tuend zur Geltung. Dazu gesellt sich der Efeu
als treuer Hausgenosse, der die dicken Platanen
und Lindenstämme mit seinem Gerank umschlingt.
Und selbst das weit ausladende Blumenornament,
das sich über den leicht anschwellenden Flora-
hügel legt und von einem feinfühligen Teilnehmer
unserer Gruppe fast als leichter Mißklang in der
Einheit des Ganzen empfunden wurde, hat als
das „Scherzo" in der weihevollen Landschafts-
symphonie desMarlygartens seine wohlerwogene
Berechtigung.

Vom schlank aufstrebenden, hallenartig durch-
brochenen Turm der Friedenskirche riefen die
Glocken zur Andacht, als wir den Garten ver-

ließen. Unser Gottesdienst war beendet in einem
landschaftlich reich beglückten Erdenfleck, wie
er in gleichem Formenadel auch einem bevorzug-
ten Künstler nur einmal in glücklicher Stunde
gelingt.

Noch wirkte die Schönheitsfülle dieser Stätte
in uns nach, als wir die Terrassen zum Schlosse
von Sanssouci emporstiegen, wo jeder Stein,
jedes Bildwerk und jede Linie vom großen König
erzählt, der hierRuhe suchte nach den sorg envollen
Kampfesjahren, die zu Preußens Größe und Ruhm
führen sollten. Wir eilten weiter über den nor-
dischen und den sizilianischen Garten; nicht in
geschichtlichen Rückblicken zu schwelgen, waren
wir gekommen; unser Zweck war, die neueste
Schöpfung im Park von Sanssouci kennen zu ler-
nen, die neue freigelegte Achse auf den Mittelbau
des Orangerieschlosses; wir wollten erfahren, in
welchem Geiste man heute baut und schafft an
einer Stätte, der Friedrich der Große vor nahezu
zwei Jahrhunderten in prächtigen Schloßbauten
und Terrassenanlagen unverwischbar denStempel
seines Geistes aufgeprägt hat. Nach ihm war es
allein Friedrich Wilhelm IV., der sich ganz in
Sanssouci hineingelebt hat und es vollends mit
den Zeugen seiner feinen Geisteskultur, seines
künstlerisch geläuterten Geschmackes zu durdi-

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