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Die Gartenkunst — 29.1916

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Klawun, Paul: Ein Frühlingsmorgen im Park von Sanssouci
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0188

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dringen versuchte. Hatte jener vorzugsweise das
französische Barock und die holländische Bau-
kunst, namentlich im neuen Palais, gepflegt, so
galt seine Liebe einzig der italienischen Renais-
sance. Und in diesen beiden Stilrichtungen be-
wegt sich eigentlich alles, was an Bauten, Schlös-
sern und Terrassen im Park geschaffen wurde.
Je nach dem Stilcharakter kann man auf die Zeit
des einen oder des anderen schließen. Nach dem
Tode Friedrich Wilhelms IV. setzte für Sanssouci
eine 30 jährige Ruhe, um nicht zu sagen Ver-
nachlässigung ein. Erst als mit der Regierung
des jetzigen Kaisers das kaiserliche Sommer-
lager in Sanssouci aufgeschlagen wurde, beginnt
auch für dieses wieder eine Zeit neuer Blüte und
Prachtentfaltung. Ja man kann wohl sagen, daß
die ganze Liebe unseres Kaisers für Prunk und
Schönheit sich in Sanssouci am eindrucksvollsten
ausspricht und in ihrem machtvollen Tätigkeits-
drang noch lange nicht abgeschlossen erscheint,
vielmehr nach dem Frieden noch schönere Blüten
treiben wird.

Der Kaiser setzte dort ein, wo man nach dem
Tode Friedrich Wilhelms IV. stehen geblieben
war, das heißt beim Ausbau der Umgebung
des Orangerieschlosses, der großartigsten Schöp-
fung dieses geistvollen Königs und seines gleich-

gesinnten Architekten Stüler. Man begann da-
mit, die rückseitig angrenzenden Ländereien
durJi Ankauf zu erweitern und parkartig aus-
zugestalten. Dann ging man daran, die Längs-
achse des Orangerieschlosses mit dem etwa 500 m
entfernten, in gleicher Linie hoch erbauten Belve-
deretempel durch eine 4 fache Lindenallee in Zu-
sammenhang zu bringen. DieHauptaufgabe jedoch,
die Freilegung des Mittelbaues, wurde von einem
Jahrzehnt zum andern hinausgeschoben, teils der
großen Kosten, teils der gewaltigen Schwierig-
keiten wegen. Doch auch diese mußten über-
wunden werden, da der Kaiser beschlossen hatte,
sich selbst damit zum Tage seiner 25 jährigen
Regierungsfeier im Park von Sanssouci ein Er-
innerungsmal zu schaffen. Zweifellos ist hiermit
ein schöner Lichtpunkt in den dunklen Laubmassen
des Parkes gewonnen worden, ja man glaubt,
wenn der hochragende, zierliche Umriß der Turm-
gallerie zwischen den 2 — 3 hundertjährigen
knorrigen Eichenbäumen schimmernd auftaucht,
das sonnige Bild einer Fata morgana vor sich
zuhaben. Eingeschultes scharfes Auge empfindet
allerdings sehr bald, daß die Architektur der
neuen Becken- und Terrassenanlage verunglückt
ist und an jeden andern Ort paßt, nur nicht hierher,
gleichsam als Unterbau für den feinen Stüler-

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