Paris
eine spätere, von wenig Verständnis getrübte Instandsetzung — die Folge ist recht oft
repariert worden — in Frage kommt. Der Graswuchs zu Füßen des Johannes sowie
die Detaillierung der Gewänder zeigen gewisse Anlehnungen an das 3. und 5. Bild.
Ganz aus dem Rahmen fällt die bereits eingangs erwähnte 7. Episode mit den Initialen
Yolandes auf blauem Grunde (Abb. 5). Abgesehen von einer Reihe von Einzelheiten
verrät schon die Gestalt des aufrechtstehenden Johannes die Wende des 14 Säkulums
— stark gelockerter Faltenwurf deckt den schlanken Körper, das Haupt mit dem
lockigen Haar erinnert an die Miniaturen des Haincelin von Hagenau und an den Meister
der Wenzelbibel —; die wirktechnische Durchführung weicht von den bisher be-
sprochenen Bildern ab, die starke Betonung des Inkarnats ist völlig zu missen. Ver-
gleichen wir das Motiv mit der in der Raumanordnung sehr ähnlichen vierten Episode
des ersten Teppichs (Abb. 10), so springt der Unterschied ohne weiteres ins Auge;
der Christuskopf mit dem schlicht herabhängenden Haar, das plastische Haupt des
Johannes, die recht mäßig durchgeführten und durch spätere Reparaturen zum Teil
entstellten Figuren der 24 Alten künden unverfälscht den Geist des Manuskriptes von
Cambrai.
Ziehen wir das Ergebnis unserer Untersuchung, so läßt sich m. E. mit Sicherheit
feststellen, daß, abgesehen von dem 7. Bilde und der großen Johannesinitiale, die erst
in neuerer Zeit willkürlich angefügt wurde, der erste Behang dem Auftrage Ludwigs I.
von Anjou entstammt, daß an der Durchführung jedoch mindestens zwei, voraussichtlich
mehr Werkstätten beteiligt waren. Die nachträgliche Einfügung der 7. Episode an Stelle
des schadhaft gewordenen Originals, ist nicht weiter verwunderlich; auf die nicht
uninteressanten Instandsetzungsarbeiten komme ich noch zu sprechen (15). Der zweite
(9 Episoden) und dritte Behang (6 Bilder) gehen gleichfalls auf den ursprünglichen
Auftrag zurück; auch hier läßt sich die Tätigkeit verschiedener Werkstätten feststellen.
Charakteristisch ist der rein architektonische Aufbau der Huldigungsepisode des
zweiten Teppichs, ein System, das wir in noch klarerer Form in dem später zu
besprechenden Artusbehang wiederfinden.
Von dem vierten Teppich ab ändert sich der Typus der Bilder insofern, als der
bislang einheitliche blaue oder rote Grund verlassen wird. Ranken werk und Blüten-
dolden decken wie ein Netz den Fond; stilisierte geflügelte Drachen (49. Episode,
Abb. 11) erscheinen als dekoratives Moment; der Weinstock sendet sein Schlingwerk
über die Fläche, blaue Trauben leuchten auf rotem Grund; der Rosenstrauch, ein
Lieblingsmotiv des 14. und 15. Säkulums, hebt sich von dunklem Blau. Die Grashügel
des ersten Teppichs sind verschwunden, eine Gliederung des Vordergrundes durch
geschwungene Lagen (45. Episode, Anbetung des Tieres) macht sich stärker bemerk-
bar; die Schraffentechnik ist reicher ausgebildet, die Vorliebe für stark gewelltes, fast
wildes Lockenhaar (42. Episode, Kampf gegen den Drachen, Kopf des Johannes in
Abb. 7) tritt augenfällig in Erscheinung. Der vierte Teppich ist später als die drei
voraufgegangenen Behänge entstanden. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürften die
letzten Jahre des Lebens Ludwigs I. von Anjou (f 20. IX. 1384) in Frage kommen —
Marie de Bretagne verstirbt erst 1404. In noch stärkerem Maße macht sich der Geist
des beginnenden 15. Säkulums in dem fünften Behänge bemerkbar. Die Gesichter
verlieren den schweren, harten Ernst, sie erscheinen belebter, nervöser; die Figuren
sind schlanker, der Faltenwurf lebhafter, der Graswuchs verschwindet in einer Reihe
von Bildern vollkommen, um einer etwas langweiligen, durch baumkuchenartige
Schichten unschön gegliederten Bodengestaltung Platz zu machen; die stilisierten Bäum-
chen der ersten Teppiche haben sich in durchaus naturalistisch erfaßte Gebilde gewandelt
(57. Episode, der Herr spricht die Ernte ist reif); das Rankenwerk des Hintergrundes
erfährt eine weitergehende Detaillierung; der Ritter, der im Dienste des „thronenden
Tieres" die Heiligen mit dem Schwerte erschlägt (49. Episode, Abb. 11) erscheint in
der Tracht des frühen 15. Säkulums (16). Die gleichen Feststellungen gelten für den
sechsten Behang. Auch ohne die in Mandorlen gefaßten, von zarten Ranken begleiteten
y des 69. Bildes (Abb. 6, der Engel zeigt Johannes die Dirne der Apokalypse) besteht
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eine spätere, von wenig Verständnis getrübte Instandsetzung — die Folge ist recht oft
repariert worden — in Frage kommt. Der Graswuchs zu Füßen des Johannes sowie
die Detaillierung der Gewänder zeigen gewisse Anlehnungen an das 3. und 5. Bild.
Ganz aus dem Rahmen fällt die bereits eingangs erwähnte 7. Episode mit den Initialen
Yolandes auf blauem Grunde (Abb. 5). Abgesehen von einer Reihe von Einzelheiten
verrät schon die Gestalt des aufrechtstehenden Johannes die Wende des 14 Säkulums
— stark gelockerter Faltenwurf deckt den schlanken Körper, das Haupt mit dem
lockigen Haar erinnert an die Miniaturen des Haincelin von Hagenau und an den Meister
der Wenzelbibel —; die wirktechnische Durchführung weicht von den bisher be-
sprochenen Bildern ab, die starke Betonung des Inkarnats ist völlig zu missen. Ver-
gleichen wir das Motiv mit der in der Raumanordnung sehr ähnlichen vierten Episode
des ersten Teppichs (Abb. 10), so springt der Unterschied ohne weiteres ins Auge;
der Christuskopf mit dem schlicht herabhängenden Haar, das plastische Haupt des
Johannes, die recht mäßig durchgeführten und durch spätere Reparaturen zum Teil
entstellten Figuren der 24 Alten künden unverfälscht den Geist des Manuskriptes von
Cambrai.
Ziehen wir das Ergebnis unserer Untersuchung, so läßt sich m. E. mit Sicherheit
feststellen, daß, abgesehen von dem 7. Bilde und der großen Johannesinitiale, die erst
in neuerer Zeit willkürlich angefügt wurde, der erste Behang dem Auftrage Ludwigs I.
von Anjou entstammt, daß an der Durchführung jedoch mindestens zwei, voraussichtlich
mehr Werkstätten beteiligt waren. Die nachträgliche Einfügung der 7. Episode an Stelle
des schadhaft gewordenen Originals, ist nicht weiter verwunderlich; auf die nicht
uninteressanten Instandsetzungsarbeiten komme ich noch zu sprechen (15). Der zweite
(9 Episoden) und dritte Behang (6 Bilder) gehen gleichfalls auf den ursprünglichen
Auftrag zurück; auch hier läßt sich die Tätigkeit verschiedener Werkstätten feststellen.
Charakteristisch ist der rein architektonische Aufbau der Huldigungsepisode des
zweiten Teppichs, ein System, das wir in noch klarerer Form in dem später zu
besprechenden Artusbehang wiederfinden.
Von dem vierten Teppich ab ändert sich der Typus der Bilder insofern, als der
bislang einheitliche blaue oder rote Grund verlassen wird. Ranken werk und Blüten-
dolden decken wie ein Netz den Fond; stilisierte geflügelte Drachen (49. Episode,
Abb. 11) erscheinen als dekoratives Moment; der Weinstock sendet sein Schlingwerk
über die Fläche, blaue Trauben leuchten auf rotem Grund; der Rosenstrauch, ein
Lieblingsmotiv des 14. und 15. Säkulums, hebt sich von dunklem Blau. Die Grashügel
des ersten Teppichs sind verschwunden, eine Gliederung des Vordergrundes durch
geschwungene Lagen (45. Episode, Anbetung des Tieres) macht sich stärker bemerk-
bar; die Schraffentechnik ist reicher ausgebildet, die Vorliebe für stark gewelltes, fast
wildes Lockenhaar (42. Episode, Kampf gegen den Drachen, Kopf des Johannes in
Abb. 7) tritt augenfällig in Erscheinung. Der vierte Teppich ist später als die drei
voraufgegangenen Behänge entstanden. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürften die
letzten Jahre des Lebens Ludwigs I. von Anjou (f 20. IX. 1384) in Frage kommen —
Marie de Bretagne verstirbt erst 1404. In noch stärkerem Maße macht sich der Geist
des beginnenden 15. Säkulums in dem fünften Behänge bemerkbar. Die Gesichter
verlieren den schweren, harten Ernst, sie erscheinen belebter, nervöser; die Figuren
sind schlanker, der Faltenwurf lebhafter, der Graswuchs verschwindet in einer Reihe
von Bildern vollkommen, um einer etwas langweiligen, durch baumkuchenartige
Schichten unschön gegliederten Bodengestaltung Platz zu machen; die stilisierten Bäum-
chen der ersten Teppiche haben sich in durchaus naturalistisch erfaßte Gebilde gewandelt
(57. Episode, der Herr spricht die Ernte ist reif); das Rankenwerk des Hintergrundes
erfährt eine weitergehende Detaillierung; der Ritter, der im Dienste des „thronenden
Tieres" die Heiligen mit dem Schwerte erschlägt (49. Episode, Abb. 11) erscheint in
der Tracht des frühen 15. Säkulums (16). Die gleichen Feststellungen gelten für den
sechsten Behang. Auch ohne die in Mandorlen gefaßten, von zarten Ranken begleiteten
y des 69. Bildes (Abb. 6, der Engel zeigt Johannes die Dirne der Apokalypse) besteht
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