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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0025
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Paris

kaum ein Zweifel, daß die beiden Behänge zwischen 1400, dem Vermählungsjahre
Ludwigs II. von Anjou und Yolandes von Aragonien (f 1442) und dem Todesjahre des
Herzogs (1417) entstanden sind. Auf den siebenten und letzten Behang komme ich
bei Besprechung der urkundlichen Belege zurück (17).

Ren6, der jüngere Sohn Ludwigs II. von Anjou, — sein älterer Bruder Ludwig III.
stirbt in den unglücklichen Kämpfen um das Königreich Neapel am 24. November 1434
bei Cosenza — erbt die Apokalypse von seiner Mutter Yolande. Der Schloßumbau
zu Angers macht die Entfernung der riesigen Teppiche 1458 zur Notwendigkeit, sie
werden um 1470 wiederum im Schlosse — ob in der Kapelle? — aufgehängt; Ende
August 1476 befindet sich die Reihe auf Schloß Bauge, sie gelangt nach dem Ableben
König Rene's (f 10. Juli 1480) als Schenkung an die Kathedrale zu Angers: „Item
donne et laisse ä ycelle £glise la belle tapisserie sur laquelle sont contenues toutes les
figures et visions de l'Apocalypse" (18). Der Passus läßt auf die mit sieben Behängen
vollständige Serie schließen; Unklarheit bringt eine unter dem 29. Mai 1490 erfolgte
Schenkung. Anne de France, die Tochter Ludwigs XI., Herzogin von Bourbon und
Auvergne, stiftet in frommem Eifer der Kathedrale einen weiteren Apokalypseteppich,
zweifellos identisch mit dem letzten Stück der Folge. Die Übergabe zieht sich bis
zum Jahre 1495 hin; vor der endgültigen Aufhängung erfolgt eine gründliche Instand-
setzung der ganzen Serie durch Jacques Godebille, Jacques de la Porte und Girard
Paol; bereits 1477 und 1479 — wohl auch noch mehrfach zuvor — hatten auf Schloß
Bauge umfangreiche Reparaturen stattgefunden (19).

Es erscheint aus stilistischen und technischen Gründen ganz ausgeschlossen, daß der
siebente Behang der Apokalypse erst 1490 entstand. Das wirktechnische Können ist
bei den letzten Episoden (76—90) zumeist schwächer als bei den voraufgegangenen
Behängen, der Tapissier steht der Wiedergabe der stilisierten Pflanzen (Abb. 12,
86. Motiv, Johannes verehrt den in der wolkenumgebenen Mandorla thronenden Erlöser)
unbeholfen gegenüber; die naturalistischen Bäumchen mit den seltsam verknorrten
Stämmen im fünften und sechsten Teppich, sind natürlicher erfaßt, die Gewänder sind
bewegter und leichter. Zu König Renö's Lebzeit ist der letzte Teppich schwerlich
auf die Gezeuge gelegt worden, zum mindesten geben die von Arnaud d'Agnel ge-
wissenhaft gesammelten Rechnungsbelege hierüber keinen Aufschluß (20). Mit starker
Wahrscheinlichkeit fällt die Entstehung in die Zeit bald nach dem Ableben Ludwigs H.
von Anjou (1417). Wie die rechtlichen Verhältnisse liegen, die einen bezw. drei
Teppiche vorübergehend in den Besitz des Herzogspaares von Bourbon gelangen lassen,
entzieht sich meiner Kenntnis.

Die große französische Revolution, die barbarisch unter den reichen Textilienschätzen
des Landes haust, begnügt sich mit der Zerstörung von etwa einem Dutzend Einzel-
darstellungen; völlig verwahrlost wird die Folge 1845 von dem Bischof Angebault für
300 Francs (!) erworben -— das einzige Mittel, um den Geldhunger des Staates, der die
Veräußerung verfügt hatte, zu befriedigen — und der Kathedrale zurückgeschenkt.
Von der ursprünglich vorhandenen Gesamtlänge mit 144 m sind rund 100 m erhalten
geblieben; die Höhe hat sich infolge Verlustes der Schriftbänder, eines Teiles des
Himmels und des blumigen Bodens — um über einen Meter — auf 4,30 m verringert.

Über den Wirker, richtiger gesagt den Lieferanten, der ersten Behänge der Apoka-
lypse herrscht kein Zweifel. Nicolas Bataille nimmt 1377 die Folge in Auftrag: „A
Nicolas Bataille, sur la facon de deux dras de tapisserie ä l'Histoire de l'Apocalice qu'il
a faiz pour mons. le duc (von Anjou) par le mandement rendu ci dessus en la prou-
chaine partie et quictance dudit Nicolas, donne le septieme jour d'avril MCCCLXXVII
(a. St.) 1000 francs"; «A Nicolas Bataille, tapissier de Paris, sur la somme de 3000 franz
qu'il doit avoir de mondit seigneur par marchiö fait par lui faire trois tappis de
l'histoire de l'Apocalice rendues prises dedens Noel 1379 par mandement dudit mon-
seigneur le duc donnö le 9 juing l'an dessus dit, et quictance dudit Nicolas donn6e le
I6e jour dudit mois 300 francs" (21). Die beiden urkundlichen Belege befassen sich
unzweideutig mit Abschlagszahlungen auf lediglich drei Behänge. Die Anlieferung geht

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