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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0257
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Fetletin

In den letzten Jahrzehnten des 17. Säkulums nimmt der Niedergang Felletins seinen
unaufhaltsamen Lauf.

Jacques Diverneresse, der führende Wirker-Händler von Felletin, sucht eine Refor-
mation der heimischen Kolonie in die Wege zu leiten. Reichlich spät (1689) tagt den
Felletiner Wirkern die Erkenntnis, daß nur ehrliche, werktüchtige Arbeit unter strenger
Aufsicht der Zunftgeschworenen Besserung bringen kann. Das Ergebnis der Versamm-
lung vom 25. August 1689, in der die aus sechs Artikeln zusammengestellten Statuten
genehmigt werden, ist nicht gerade überwältigend. Die vom zünftigen Geiste um-
nebelten Gemüter beschränken sich mit bürokratischer Kleinlichkeit auf eine abge-
wandelte Kopie der Aubussoner Statuten von 1668. Die Neuregelung findet im No-
vember 1689 die landesherrliche Zustimmung. Der Erlaß des Königs «au Notre bien-
ainiö Jacques Diverneresse, marchand de la ville de Feuilletin" ist nicht ohne Interesse,
zumal er sich mit genügender Deutlichkeit über die Ursachen des Verfalles der Felle-
tiner Bildwirkerei ausspricht: „. . . plus que, depuis quelques annöes, la travail a et6
interrompu, tant par la n^gligence d'aucuns desdits jurandes et ouvriers, que par des
pertes qu'aucuns desdits marchands ont souffertes . . ." Angeblich sind 500 Wirker in
Felletin und Umgebung brotlos, eine umso bedauerlichere Tatsache, als es sich nach der
Angabe von Diverneresse um vorzüglich ausgebildete Kunsthandwerker handelt „dont
la plupart ont travaillö aux manufactures des Gobelins" (??). Die nochmalige Ein-
schärfung der Lehrlings- (3 Jahre) und Gesellenzeit (4 Jahre), die Prüfung der Kartons
durch die Zunftgeschworenen, die Festlegung der zu zahlenden Meistergelder gelegent-
lich der Prüfung, die Abgangsbescheinigung der Gesellen beim Arbeitswechsel und
dergleichen Dinge mehr, scheinen keine anhaltende Besserung, jedenfalls keine quali-
tative Hebung der Erzeugnisse von Felletin bewirkt zu haben.

Jahrzehntelang ziehen sich die Streitigkeiten mit der Pariser Wirkerinnung hin, die
den Felletiner Meistern liederliche Arbeit und die Verwendung unechter Farben vor-
werfen. Einzelheiten führen zu weit.

Mit dem Abflauen der Pariser Auseinandersetzung beginnt der Konkurrenzkampf
zwischen Aubusson und Felletin in verschärftem Maße, nicht selten unter Verwendung
unloyaler Mittel. 1717 stellen die Wirkereihändler von Aubusson den Antrag, daß
alle von ihnen zu erwerbenden Felletinfolgen ihrer zünftigen Prüfung und Plombierung
zu unterliegen hätten — „Tapisserie de Felletin, visitöe par les jures de la manufac-
ture d'Aubusson" —, damit sie endlich vor dem Ankauf minderwertiger Erzeugnisse
einigermaßen gesichert seien. Der Regent von Frankreich, Philipp von Orleans, lehnt
nach mehrfachen Verhandlungen das Ersuchen ab. Die Meister von Felletin ziehen
nicht das Fazit aus den gegen sie erhobenen Anwürfen; die Betrügereien, insbesondere
der Mißbrauch der blauen Wirkerkante und des Namens der Manufaktur Aubusson,
gehen unentwegt weiter. Der Erlaß vom 14. April 1733 unterstellt die Ateliers von
Felletin dem in Aubusson residierenden Inspektor der Manufakturen der Marche,
Laboreys de la Pigue. Die Maßnahme zeitigt keine sonderlichen Ergebnisse. Die in
Felletin verwandten Farbendrogen, insbesondere die für die Verdüren erforderlichen
grünen und blauen Töne, sind nach wie vor lichtunbeständig, die Wollen stark minder-
wertig. 1742 platzt die Bombe. Am 20. November wird den Wirkern von Felletin
ausdrücklich die blaue Lisiere verboten und die dunkelbraune Wirkerkante (Vio Elle
breit) vorgeschrieben. Die Verfügung, die bis 1770 in Kraft bleibt, rückt Felletin end-
gültig in die zweite Klasse der kleinen Manufakturen. Unter dem 7. Dezember 1745
erfährt der Zunftgebrauch eine Neuregelung; sämtliche Behänge sind nach Fertig-
stellung zur Prüfung vorzulegen, die Namen der Meister und der mitwirkenden Ge-
sellen sind in eine besondere Liste einzutragen, die Wirkerkante muß den Stadtnamen
und die Initialen der Erzeuger führen. Der Erlaß vom 25. Oktober 1762 beschäftigt
sich eingehend mit der Prüfung der Wollen, die in den „Manufactures royales de
tapisseries de Felletin" zur Verwendung kommen; die mißbräuchliche Benutzung
fremder Patronen wird mit scharfen Strafen belegt, jeder Wirker hat die von ihm
zu verwertenden Vorlagen dem Zunftamt vorzuweisen (11). Der Inspektor Laboreys

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