Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0264
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Aubusson

und der „saincte Suzanne" (eine Märtyrerin aus der Zeit Kaiser Diokletians) be-
sprechen (13). Es handelt sich um die Ausstattung des Schlosses Lamothe-Bardigues
bei Auvillars. Francois Meauhne und Francois Matteron „Mes tappissenrs de la ville
d'Aubusson en la marche Bourbonnages" verpflichten sich unter dem 3. Mai 1578
gegenüber Geraud de Gout, seigneur de la Mothe-Bardigues, die Anfertigung der
Wirkereien zum Preise von 3V2 Talern für die Toulouser Quadrat-Canno zu über-
nehmen. Ähnlich wie in den zeitgenössischen flämischen Verträgen dient ein bereits
fertiggestellter Behang der Esthergeschichte als Qualitätsbasis. Bereits am 13. Septem-
ber des gleichen Jahres erscheinen Meaulme, Matteron und der Geselle Anthoine
Forest und bringen die Estherfolge mit acht Behängen zur Ablieferung. Die Geschichte
der heiligen Susanna soll bis zum Nikolaustag (6. XII. 1578) fertiggestellt sein.

Die schweren Wirren der „Heiligen Liga" lassen es den Unternehmern zweckdien-
lich erscheinen von der Kriegsklausel, „en cas il y aurait guerre ouverte," Gebrauch
zu machen; sie übergeben 158:2 die Lieferung an ihre Aubussoner Fachgenossen Pierre
Braband (Barraband) und Tuquet.

Die Geschichte der Esther scheint zu dem eisernen Bestände der Aubussoner
Wirker gehört zu haben. Wir finden die gleiche Folge in einem Vertrage von
1609 (14). Als Wirker erscheinen Simon Marsillac, Joseph Leveufve, beide aus Äu-
busson, und der bekannte Felletiner Meister Joseph de la Mazure; der Einheitspreis
der fünf Behänge zählenden Folge beläuft sich auf 16 livres 10 sols. Im übrigen läßt
sich die Estherfolge im Laufe des 17. Säkulums nicht weniger als rund vierzigmal
urkundlich nachweisen.

Es entsteht die Frage, weshalb bislang nicht ein einziger signierter Renaissance-
teppich aus den Ateliers der Marche aufgetaucht ist. Einesteils bestand vor 1665 nicht
die scharfe zünftige und behördliche Aufsicht wie in den Niederlanden, die sich
eingehend mit dem Signierungswesen beschäftigte und dem Meister genau festzu-
legende Marken vorschrieb, andernteils machte sich im 17. Jahrhundert in Frank-
reich nicht die drückende Konkurrenz geltend, die jeden Mißbrauch des Stadt-
zeichens im Interesse der Selbsterhaltung auf das empfindlichste ahndete. Wohl nur
die wertvolleren Serien trugen die Bleiplombe mit dem Stadtwappen, dein Hoheits-
zeichen von Frankreich und der Inschrift MANUFACTURE DE TAPISSEBIES. Erst
der Colbert'sche Erlaß (1665) bringt Ordnung in die Materie. Als Vertreter der
Ateliers von Aubusson, die damals rund 1500 Wirker beschäftigen, reist Jacques
Bertrand im Oktober 1664 nach Paris. Im wesentlichen drehen sich die Verhand-
lungen um die Entsendung eines geübten Färbers (erst am 12. Februar 1731 (!)
erscheint Fizameau in Aubusson, er wird am 17. März 1733 durch Pierre de Monte-
zert „teinturier pour le; roy ä Aubusson" ersetzt), um die Beschaffung geeigneter
Kartons, ein Mangel, an dem die Werkstätten der Marche von altersher kranken.
Einzelheiten erübrigen sich an dieser Stelle, die wesentlichsten Momente finden bei
Besprechung der Patronenmaler Berücksichtigung. Die Verleihung des Titels einer
königlichen Manufaktur bedingt die neu einzuführende Signatur. Neben dem A- Lilie B,
das nicht selten zu Verwechselungen mit den Pariser Ateliers Veranlassung gibt, er-
scheinen M. R. D. A. (Manufacture royale d'Aubusson) oder M. R. AVBUSSON. Der
Name des Wirkers ist voll auszuschreiben oder mindestens durch die Anfangsbuch-
staben einwandfrei festzulegen.

Das 17. Säkulum bringt viele Hunderte von Wirkernamen und eine derartige
Fülle urkundlich belegter und erhaltener Arbeiten, daß es mir unzweckmäßig er-
scheint, den fortlaufenden Text mit dieser verwirrenden Materie zu belasten; der
Anhang gibt eine gedrängte, aber ausreichende chronologische Zusammenstellung (15).
Die Meister von Aubusson arbeiten lediglich in der Basselissetechnik. Die Ausführun-
gen Pe>athons, der den Werkstätten auch das hochlitzige Verfahren zuspricht,
sind irrig.

Zu den ältesten Familien, die ihren Stammbaum vom 16. bis in das 18., einzelne so-
gar bis in das 19. und 20. Jahrhundert verfolgen können, zählen die Barbat, Barra-

246
 
Annotationen