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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0340
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To urs.

To urain e.

Grenzgebiete

13.-25. II. 1905, No. 1379) identisch ist. „Musique" eignet in vorzüglicher Erhaltung
dem Museum of Fine Arts zu Boston. Das Schriftband kündet:
„Invenere locum per me modulamina vocum
Dat notula scire musica docta lire" (103).

Die Teppiche stehen stark unter niederländischem Einfluß, sind aber augenscheinlich,
sowohl was Farbengebung, Technik und Stil angeht, in einem französischen Atelier —
ob an den Ufern der Loire? — entstanden. Die Gegenüberstellung der Serie mit einer
etwa ein halbes Jahrhundert früheren Folge — auf dem Behänge (P. W. French & Cie.)
thronen als Frauengestalten Arithmethik und Astronomie —, die Phyllis Ackerman wohl
mit Recht Tournai und einem Mitglied der Tournaiser Malerfamilie le Quien zuschreibt,
ist nicht ohne Interesse (104).

Kehren wir zu den Patronenzeichnern von Tours zurück, so ist in zweiter Linie der
Illuminator Jehan Sainxon, dit de Pousay, zu erwähnen. Er entwirft 1521 „deux pour-
traits de la Situation de la ville de Tours, Tun en papier et l'autre en parchemyn, en-
semble les accroissements que le roy Francois Ier a döcide" de faire en l'avenir". Han-
delte es sich um Teppichvorlagen, in der Art der eigenartigen Stadtplan- und Länder-
folge von Paris, Konstantinopel usw.? Sainxon ist mehrfach für den Betrieb des Jehan
Duval tätig, für den er 1537 die für die Bruderschaft von Sankt Sebastian zu Saumur
bestimmte Folge durchführt; mit dem Jahre 1548 verstummen die urkundlichen Belege.
Im übrigen scheint die Malerschaft von Angers ihren Kollegen in Tours starke Kon-
kurrenz gemacht zu haben; sämtliche von den Kirchenbehörden von Angers in Auftrag
gegebenen Serien bleiben in der Entwurfsarbeit am Orte. 1498 zeichnet Pierre Garnier,
einst der Illuminator und Hofmaler König Renes und seines Nachfolgers Renös H., in
Angers für das Kapitel von Sankt Peter das Leben des Schutzpatrons, die Reihe wurde
aller Wahrscheinlichkeit nach in Tours auf das Gezeug gelegt. Der Künstler ist noch
1527 tätig. Robert Delisle, gleichfalls in Angers ansäßig, fand 1543 als Urheber der
Geschichte Sankt Peters für die Kirche St. Pierre zu Saumur, die Jean Delaistre (De-
lastre) vollendete, bereits Erwähnung. Im großen und ganzen ist das Forschungsergebnis,
soweit es die Patronenmaler der sog. Tourainer Gruppe betrifft, recht unzureichend;
es erklärt in keiner Weise die starke Verschiedenheit der Gruppen, das seltsame Ne-
beneinander mittel- und hochwertiger Erzeugnisse.

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ist ein ständiger starker Rückgang der Wirker-
kolonie von Tours zu beobachten; die Aufträge werden immer spärlicher. Es gehört
schon zu den Ausnahmen, wenn Claude de Beaune, die Enkelin des zu Unrecht hin-
gerichteten Finanzoberintendanten, des Schöpfers der Sankt Saturninfolge, größere
Reihen zur Durchführung gibt. Herrin Claude heiratet 1567 in zweiter Ehe den Herzog
von Roannez, Claude Gouffier. Sie läßt zum Gedenken ihres Yaters die Geschichte
des von dem Verstorbenen verehrten Schutzpatrons, des heiligen Wilhelm von Aquitanien,
die in den Wandteppich übertragen. Leider besagt kein urkundlicher Vermerk, in
welchem Atelier die Serie entstand, die gegenwärtig vier Teppiche, je vier Meter lang,
mit je zehn Bildern umfaßt. Die Behänge erschienen auf den retrospektiven Aus-
stellungen von Tours (Mai 1873, 1890); verschiedene Episoden zählen heute zu dem
Bestände der Sammlung des Viscount Iveagh. Das Wappenschild der Stifterin läßt
keinen Zweifel an der Provenienz, die zudem durch St. Claudia, die Schutzheilige
der Herzogin von Roannez, unterstrichen wird. Als Leitfaden diente nach L. A. Bosse-
boeuf der „Tratte des eveques de Limoges" des Bernardus. Die Folge baut sich der-
gestalt auf, daß Säulen in der üblichen Weise die einzelnen, durch Schriftbänder er-
läuterten Episoden gliedern; über den Hauptbildern zieht sich ein Fries in etwa einem
Drittel der Gesamthöhe, der wiederum durch Säulen getrennte, durch Legenden erklärte
Motive aus dem Leben des Heiligen bringt. Die Farbenstimmung weicht von dem
alten Zirkel der Touraine stark ab, vorwiegend sind Gelb und Grün; der Einfluß der
zugewanderten Flamen macht sich auch in dieser Hinsicht bestimmend geltend. W. G.
Thomson bringt in seiner History of Tapestry (London 1906, S. 240, 242) eine Ganz-
und eine Teilwiedergabe.

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