Madrid
Mit dem «Winter" schließt die Serie: In dicke Tücher vermummt wandern die
Treiber frierend durch die schneebedeckte Landschaft; stumpfsinnig trottet das schwer
befrachtete Maultier, mit eingekniffenem Schwänze folgt ein Hund, bergige Höhen
und entlaubte Bäume geben den Rahmen (56).
Die Schlafzimmerausstattung des Infanten wird durch zwei eigenartige Motive aus
dem Leben der unteren Volksschichten erweitert, durch den „verunglückten Maurer"
und die «Armen an der Quelle".
Der Karton der erstgenannten Szene, ein schmales Zwischenfensterstück (H. 2,78 m,
L. 1,10 m), wird Ende 1786 von dem Meister der Manufaktur zur Verfügung gestellt
und zwischen 1788 und 1789 von Antonio Punades in die tieflitzige Technik über-
tragen, der Behang befindet sich im Pardo: Zwei Kameraden tragen den Verunglückten
auf den Armen, im Hintergrunde ragt der angefangene Bau mit seinem Gerüst. Das
Gegenstück, die «Armen an der Quelle" (H. 2,77 m, L. 1,15 m) zeigt die abgearbeitete,
fröstelnde Mutter mit ihren beiden Jungen — der eine schleppt einen schweren Krug —
an der steingefaßten Quelle. Ein ärmliches Gebäude hebt sich aus trübsinniger, schnee-
bedeckter Landschaft (57).
In dem nächsten großen Teppich bewegt sich der Hochzeitszug über die Brücke
des ausgetrockneten Baches, der Pfarrer und die Eltern des Brautpaares wandern be-
schaulich hinterdrein (58). Paßt sich der «Hochzeitszug" in seiner ganzen Auffassung
stark den vier Jahreszeiten an, so wählt der dritte Zwischenfensterteppich, die
"Wasserträgerinnen" (H. 2,60 m, L. 1,50 m), wiederum ein Bild aus dem Leben des
spanischen Volkes (59). Die Wirkung ist nicht sonderlich glücklich; die schwer ge-
fügte, hohe eintönige Steinfassung der Quelle, unterstrichen durch eine klotzige
Brüstungsmauer, stellt die Figuren vor einen wenig günstigen Hintergrund. Zwei
Frauen, auf dem Haupte und in den Händen hohe Krüge, stehen in starrer Haltung
neben einer Freundin; ein kleiner Bursche, den Kopf durch einen breitkrämpigen
Hut geschützt, hält kleinere Gefäße mit herabhängenden Armen. Eine waldige, durch
schloßartige Gebäude belebte Berglandschaft schließt die Szene. Der 1787 vollendete
Karton wird von Nicolas Bream erst 1793/94 in die hochlitzige Technik übertragen
(Palacio del Pardo); eine zweite Wiederholung fällt in das Jahr 1800. Die späte
Durchführung läßt es nicht gesichert erscheinen, daß das Motiv tatsächlich mit zu der
Schlafzimmerausstattung des Infanten gehörte, der übrigens die Vollendung der Folge
nicht erlebte und bereits 1788 verstarb.
Mit den aragonesischen Stelzenläufern (H. 2,70 m, L. 3,10 m), die zum Klange der
Flöten ihre Holzbeine schwingen — Zuschauer beobachten den etwas gefährlich aus-
sehenden Tanz —, schließt die Serie der großen Behänge des prinzlichen Gemaches (60).
Als Supraporten dienen zwei der bekanntesten Goya'schen Motive: „die kleinen
Riesen" (Abb. 523) (61) und die «schaukelnden Kinder" — ein Baumstamm ist in der
Mitte auf ein starkes Fichtenstück gelegt, hoch fliegt der eine kleine Bursch, sein
Partner gibt sich mit emporgeworfenen Händen den Aufschwung, ein Spielgefährte-
schaut weinend zu, zwei Kinderköpfe tauchen hinter der Schaukel auf (62).
Die finanziellen Fragen, die in den urkundlichen Belegen einen weiten Raum ein
nehmen, wurden bislang nur nebensächlich berührt. Die Vergütung, die Goya für
seine Kartons bezieht, richtet sich weniger nach der Schwierigkeit des Motivs, als
nach dem Umfang der Leinwand. Für das «Picknick" z. B. erhält der Meister 7000 Re-
alen; der Wirkereinheitspreis für die hochlitzige flämische Quadratelle stellt sich, ent-
sprechend den vertraglichen Abmachungen vom Jahre 1744 auf 570 Realen; der «Tanz
bei S. Antonio de la Florida" verursacht 8000 Realen Kartonkosten; die kleineren Pa-
tronen werden mit 3000—4000 Realen abgefunden, die ganz schmalen Stücke und die
Supraporten erscheinen mit 1000 Realen im Ansatz. Die Methode der Einzelverrech-
nung, die allzu langwierige Schätzungen bedingt, wird später verlassen; Goya bezieht
für seine Tätigkeit eine Jahresvergütung von 15000 Realen (63).
1790 erfolgt der letzte größere Auftrag, der die vier Kartons für das Arbeitszimmer
des Königs im Escorial umfaßt. Der Künstler glaubt den Zeitpunkt gekommen, mit
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Mit dem «Winter" schließt die Serie: In dicke Tücher vermummt wandern die
Treiber frierend durch die schneebedeckte Landschaft; stumpfsinnig trottet das schwer
befrachtete Maultier, mit eingekniffenem Schwänze folgt ein Hund, bergige Höhen
und entlaubte Bäume geben den Rahmen (56).
Die Schlafzimmerausstattung des Infanten wird durch zwei eigenartige Motive aus
dem Leben der unteren Volksschichten erweitert, durch den „verunglückten Maurer"
und die «Armen an der Quelle".
Der Karton der erstgenannten Szene, ein schmales Zwischenfensterstück (H. 2,78 m,
L. 1,10 m), wird Ende 1786 von dem Meister der Manufaktur zur Verfügung gestellt
und zwischen 1788 und 1789 von Antonio Punades in die tieflitzige Technik über-
tragen, der Behang befindet sich im Pardo: Zwei Kameraden tragen den Verunglückten
auf den Armen, im Hintergrunde ragt der angefangene Bau mit seinem Gerüst. Das
Gegenstück, die «Armen an der Quelle" (H. 2,77 m, L. 1,15 m) zeigt die abgearbeitete,
fröstelnde Mutter mit ihren beiden Jungen — der eine schleppt einen schweren Krug —
an der steingefaßten Quelle. Ein ärmliches Gebäude hebt sich aus trübsinniger, schnee-
bedeckter Landschaft (57).
In dem nächsten großen Teppich bewegt sich der Hochzeitszug über die Brücke
des ausgetrockneten Baches, der Pfarrer und die Eltern des Brautpaares wandern be-
schaulich hinterdrein (58). Paßt sich der «Hochzeitszug" in seiner ganzen Auffassung
stark den vier Jahreszeiten an, so wählt der dritte Zwischenfensterteppich, die
"Wasserträgerinnen" (H. 2,60 m, L. 1,50 m), wiederum ein Bild aus dem Leben des
spanischen Volkes (59). Die Wirkung ist nicht sonderlich glücklich; die schwer ge-
fügte, hohe eintönige Steinfassung der Quelle, unterstrichen durch eine klotzige
Brüstungsmauer, stellt die Figuren vor einen wenig günstigen Hintergrund. Zwei
Frauen, auf dem Haupte und in den Händen hohe Krüge, stehen in starrer Haltung
neben einer Freundin; ein kleiner Bursche, den Kopf durch einen breitkrämpigen
Hut geschützt, hält kleinere Gefäße mit herabhängenden Armen. Eine waldige, durch
schloßartige Gebäude belebte Berglandschaft schließt die Szene. Der 1787 vollendete
Karton wird von Nicolas Bream erst 1793/94 in die hochlitzige Technik übertragen
(Palacio del Pardo); eine zweite Wiederholung fällt in das Jahr 1800. Die späte
Durchführung läßt es nicht gesichert erscheinen, daß das Motiv tatsächlich mit zu der
Schlafzimmerausstattung des Infanten gehörte, der übrigens die Vollendung der Folge
nicht erlebte und bereits 1788 verstarb.
Mit den aragonesischen Stelzenläufern (H. 2,70 m, L. 3,10 m), die zum Klange der
Flöten ihre Holzbeine schwingen — Zuschauer beobachten den etwas gefährlich aus-
sehenden Tanz —, schließt die Serie der großen Behänge des prinzlichen Gemaches (60).
Als Supraporten dienen zwei der bekanntesten Goya'schen Motive: „die kleinen
Riesen" (Abb. 523) (61) und die «schaukelnden Kinder" — ein Baumstamm ist in der
Mitte auf ein starkes Fichtenstück gelegt, hoch fliegt der eine kleine Bursch, sein
Partner gibt sich mit emporgeworfenen Händen den Aufschwung, ein Spielgefährte-
schaut weinend zu, zwei Kinderköpfe tauchen hinter der Schaukel auf (62).
Die finanziellen Fragen, die in den urkundlichen Belegen einen weiten Raum ein
nehmen, wurden bislang nur nebensächlich berührt. Die Vergütung, die Goya für
seine Kartons bezieht, richtet sich weniger nach der Schwierigkeit des Motivs, als
nach dem Umfang der Leinwand. Für das «Picknick" z. B. erhält der Meister 7000 Re-
alen; der Wirkereinheitspreis für die hochlitzige flämische Quadratelle stellt sich, ent-
sprechend den vertraglichen Abmachungen vom Jahre 1744 auf 570 Realen; der «Tanz
bei S. Antonio de la Florida" verursacht 8000 Realen Kartonkosten; die kleineren Pa-
tronen werden mit 3000—4000 Realen abgefunden, die ganz schmalen Stücke und die
Supraporten erscheinen mit 1000 Realen im Ansatz. Die Methode der Einzelverrech-
nung, die allzu langwierige Schätzungen bedingt, wird später verlassen; Goya bezieht
für seine Tätigkeit eine Jahresvergütung von 15000 Realen (63).
1790 erfolgt der letzte größere Auftrag, der die vier Kartons für das Arbeitszimmer
des Königs im Escorial umfaßt. Der Künstler glaubt den Zeitpunkt gekommen, mit
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