Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0507
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Madrid

erhöhten Forderungen an den Staat herantreten zu können. Sein Gesuch wird in
wenig freundlicher Form abgelehnt. Es bleibt bei dem festgesetzten Jahreseinkom-
men (64). Der erste Behang der neuen Folge, „El pelele", schildert das aus der Don
Quijotereihe bekannte Prellspiel: Vier junge Mädchen spannen das Laken, eine Puppe,
als Hampelmann aufgeputzt, macht in der Luft die possierlichsten Sprünge. Der Vorder-
grund ist etwas stiefmütterlich behandelt, die allzu großen, durch einen spärlichen
Graswuchs kaum gemilderten Flächen, wirken langweilig gegenüber der farbenfrohen
Kleid ung der Majas. Den Grund schließt ein Baumschlag, auf Bergeshöhe erhebt sich
ein kleiner antikisierender Bau (65). Im gleichen Jahre (1791) entsteht das Blindekuh-
spiel, „La Gallina ciega", in der Farbentechnik einer der schönsten Goyabehänge (66):
Vier Frauen und vier Burschen fassen sich im Kreis, der Majo in der Mitte sucht mit
verbundenen Augen mit vorgehaltenem Löffel einen der Mitspieler zu treffen; ein Ge-
fährte weicht, sich bückend, geschickt aus. Die Gestalten heben sich lebhaft von dem
Grün des Rasens, dem bergigen, bewaldeten Hintergrund; der Himmel zeigt zarte
blaue und rosa Tinten (67).

Die Serie wird durch zwei Supraporten ergänzt, die «kletternden Kinder" und den
„Knaben auf dem Widder". Im ersten Motive (H. 1,41 m, L. 1,11 m) benutzt ein
kleiner Bursche den Rücken des knienden Kameraden als Stütze zum Klimmzug, ein
Gefährte hilft mit der Hand nach und blickt erwartungsvoll in die Höhe, Hut und
Stock des Kletterers liegen am Boden, in der Ferne steigen Bergzüge an, ein massiges,
zerfallenes, in der Ölfarbentechnik etwas oberflächlich behandeltes Gebäude erscheint
im Hintergrunde rechts (68).

Das Gegenstück zeigt einen herausgeputzten Jungen — um die Hüfte die Schärpe,
am Hals die Spitzenkrause, auf dem Kopf den breiten Hut —, der auf einem Widder
reitet und den Vierfüßer mit einer Gerte antreibt. Der Ritt geht einen Waldpfad ent-
lang; in der von Goya beliebten Art ist das in Farben lebhaft gehaltene Bild unmittel-
bar gegen den zart getönten lichten Himmel gesetzt (69).

Verschiedene Behänge im Pardo und Escorial gehen unter dem Namen Goya's, zum
Teil handelt es sich jedoch um Übertragungen von Gemälden des Meisters durch zeit-
genössische Patronenmaler. U. a. ist der reizende Kinderstierkampf zu erwähnen. Als
Kopist dürfte Ramön Bayeu in Frage kommen.

Zweifelhaft ist die Zuschreibung des «Jägers mit dem Windhund"; August L. Mayer
plädiert für Goya (70), Vill aamil und Lafond (71) sprechen Ramön Bayeu den Entwurf zu.
Zu der gleichen Gruppe zählt eine gewirkte Supraporte im Escorial, die im Entwurf
ohne Zweifel auf Goya zurückgeht: Hunde und Jagdgeräte (Abb. 524). Dem Stile
Bayeu's entsprechen dagegen zwei Stilleben: auf dem Waldboden lagern die erlegten
Enten und Rebhühner, am Baumast lehnt die Flinte; malerisch sind Angelgerät und
Fische am Flußufer aufgereiht. Der Goya'schen Formensprache eng verwandt ist eine
kleine Kinderszene: vier Jungen spielen Kreisel. Verschiedene Episoden aus dem Jugend-
leben — Kinder mit Trommel und Trompete — sind zwar in Gemälden Göya's noch
vorhanden, im Teppich, sofern überhaupt eine Übertragung stattfand, dagegen ver-
schollen. Bei gewissen Motiven, z. B. dem Volksfest (Pradera de San Isidro), ist es un-
gewiß, ob es sich überhaupt um eine Bildteppichstudie handelt.

Die Porträtwirkerei tritt gegenüber den größeren Behängen, den Zwischenfenster-
stücken und den Supraporten naturgemäß stark zurück. Aus der Zeit Karls III. stammen

a. zwei gut durchgeführte Brustbilder, die in der Auffassung an die gleichzeitigen
Arbeiten der Gobelins erinnern: König Karl III., im Galakostüm, führt den Feldherrn-
stab in der Rechten, ein schwebender Putto krönt den Herrscher mit dem Lorbeerreis
(Abb. 525); Königin Amelia (aus dem Hause Sachsen) erscheint in großer Hofrobe, um
den Nacken die edelsteinbesäte Kette mit dem Medaillon des Gemahls (Karls III.), die
herabhängende Rechte hält den Fächer, die Linke ruht auf dem Kronkissen, über der
Herrscherin schwebt ein Putto mit dem Blütenzweig. Die Porträts, wahrscheinlich
nach Bildern des Guillermo Anglois gewirkt, sind im Hochoval durchgeführt und be-
nnden sich im Palacio Real zu Madrid noch in den ursprünglichen reich geschnitzten

489
 
Annotationen