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Die Kunst des Altertums.
vier Säulen die von einem hohen Gesimse bekrönte Scheintür: der wahre Zugang zu der
schmucklosen Grabkammer war versteckt. Das Gebälke über den Säulen mit den Stier-
Vorderleibern besteht aus einer dreimal vorspringenden Balkenlage, darüber aus einer Zahn-
schnittfolge und dem breiten Friesband. Diese architektonische Gliederung ist eine Nachahmung
des Holzbaues in Stein, und war in ganz Lykien heimisch (Textabb. 15). Im obersten Fassaden-
feld erhebt sich ein thronartiger Unterbau, den zwei Reihen Männer stützen; darauf steht,
um einige Stufen erhöht, der König vor dem Feueraltar und betet zu Ahuramazda. Neben
diesen Felsengräbern sind von den Persern auch Grabfreibauten aufgeführt worden. Auf
pyramidalem Stufenbau aus großen Marmorblöcken erhob sich ein mit einem Giebeldach
bedecktes Gemach. In ungleichen Entfernungen umgab diese Grabanlagc ein Säulengang,
und das Ganze stand inmitten einer Parkanlage (Paradies). In dieser Art ausgeführt
ist das noch im wesentlichen erhaltene Grab des Cyrus bei Pasargadä.
Erscheinen die Werke der persischen Baukunst vorwiegend abhängig von der Kunst-
tätigkeit benachbarter Völker, so gelang es den Persern doch, die verschiedenartigen Ent-
lehnungen nach und nach zu einem eigentümlichen Stilganzen zusammenzuschlicßen. Aber
auch die Werke dekorativer Plastik zeigen im Vergleich mit den assyrischen das Gepräge
einer originalen Kunstbegabung. In der Herstellung von Reliefs aus Ziegeln, die mit
in der Masse gefärbten Zinnschmelzen bedeckt wurden (Abb. 64), sind die Perser künstlerisch
den Babyloniern und Assyrern ebenbürtig. Auch die Modellierung der muskulösen Figuren,
die Sorgfalt der technischen Arbeit in der Ornamentbehandlung müssen hervorgehoben werden,
und lassen auf ein hoch entwickeltes Kunstgewerbe schließen. Vielleicht macht sich hier bereits
griechischer Einfluß geltend, ist doch die Anwesenheit von Griechen am persischen Hof bezeugt.
a (Mykenä, Elfenbein)
b (Tiryns, Alabaster mit Glaspasten)
19. Mykenische Friesornamente (vgl. S. 22).
o (Mykenä, Porphyr)
4. Kretisch-mykenische oder ägäische Kunst.
Im zweiten Jahrtausend vor Christus hatte auf der Insel Kreta ein Volk, dessen Sprache
und Nationalität uns noch rätselhaft sind, eine Kultur entwickelt, die mit den älteren orien-
talischen Kulturen zwar Verbindungen hatte, aber in ihrer Kunst eine selbständige Natur-
auffassung offenbart. Kreta ist der Ausgangs- und Mittelpunkt der ägäischen Kultur,
die sieb auf die Umländer des ägäischen Meeres verbreitet hat: auf das griechische Fest-
land sowohl wie auf die Inseln (Cycladenkunst) und das kleinasiatische Küstenland (Troja).
Die kretische Kultur, die auch nach dem sagenhaften König Minos die minoische
genannt wird, läßt sich in drei Hauptperioden teilen: frühminoisch (noch 3. Jahrtausend), mittcl-
minoisch (erste Hälfte des 2. Jahrtausends), spätminoisch (16. bis 13. Jahrhundert). Aus der
letzten Periode rühren in den Hauptstädten Knossos und Phästos große unbefestigte Palast-
anlagen her mit Torbauten, mit einem weiten mittleren Hof, um den Säle und kleinere
Gemächer, auch Kapellen gruppiert sind, mit breiten Treppen, die zu obere» Stockwerken
führen, mit Lichtschachten, Magazinen, Werkstätten und mit mannigfachen hygienischen An-
lagen. In dem Palast von Knossos unterscheidet man ein Throngemach mit Wandbänken
und einem steinernen Thron (Abb. 69) in der Mitte, dann Säle, deren Wände zum Teil in
Die Kunst des Altertums.
vier Säulen die von einem hohen Gesimse bekrönte Scheintür: der wahre Zugang zu der
schmucklosen Grabkammer war versteckt. Das Gebälke über den Säulen mit den Stier-
Vorderleibern besteht aus einer dreimal vorspringenden Balkenlage, darüber aus einer Zahn-
schnittfolge und dem breiten Friesband. Diese architektonische Gliederung ist eine Nachahmung
des Holzbaues in Stein, und war in ganz Lykien heimisch (Textabb. 15). Im obersten Fassaden-
feld erhebt sich ein thronartiger Unterbau, den zwei Reihen Männer stützen; darauf steht,
um einige Stufen erhöht, der König vor dem Feueraltar und betet zu Ahuramazda. Neben
diesen Felsengräbern sind von den Persern auch Grabfreibauten aufgeführt worden. Auf
pyramidalem Stufenbau aus großen Marmorblöcken erhob sich ein mit einem Giebeldach
bedecktes Gemach. In ungleichen Entfernungen umgab diese Grabanlagc ein Säulengang,
und das Ganze stand inmitten einer Parkanlage (Paradies). In dieser Art ausgeführt
ist das noch im wesentlichen erhaltene Grab des Cyrus bei Pasargadä.
Erscheinen die Werke der persischen Baukunst vorwiegend abhängig von der Kunst-
tätigkeit benachbarter Völker, so gelang es den Persern doch, die verschiedenartigen Ent-
lehnungen nach und nach zu einem eigentümlichen Stilganzen zusammenzuschlicßen. Aber
auch die Werke dekorativer Plastik zeigen im Vergleich mit den assyrischen das Gepräge
einer originalen Kunstbegabung. In der Herstellung von Reliefs aus Ziegeln, die mit
in der Masse gefärbten Zinnschmelzen bedeckt wurden (Abb. 64), sind die Perser künstlerisch
den Babyloniern und Assyrern ebenbürtig. Auch die Modellierung der muskulösen Figuren,
die Sorgfalt der technischen Arbeit in der Ornamentbehandlung müssen hervorgehoben werden,
und lassen auf ein hoch entwickeltes Kunstgewerbe schließen. Vielleicht macht sich hier bereits
griechischer Einfluß geltend, ist doch die Anwesenheit von Griechen am persischen Hof bezeugt.
a (Mykenä, Elfenbein)
b (Tiryns, Alabaster mit Glaspasten)
19. Mykenische Friesornamente (vgl. S. 22).
o (Mykenä, Porphyr)
4. Kretisch-mykenische oder ägäische Kunst.
Im zweiten Jahrtausend vor Christus hatte auf der Insel Kreta ein Volk, dessen Sprache
und Nationalität uns noch rätselhaft sind, eine Kultur entwickelt, die mit den älteren orien-
talischen Kulturen zwar Verbindungen hatte, aber in ihrer Kunst eine selbständige Natur-
auffassung offenbart. Kreta ist der Ausgangs- und Mittelpunkt der ägäischen Kultur,
die sieb auf die Umländer des ägäischen Meeres verbreitet hat: auf das griechische Fest-
land sowohl wie auf die Inseln (Cycladenkunst) und das kleinasiatische Küstenland (Troja).
Die kretische Kultur, die auch nach dem sagenhaften König Minos die minoische
genannt wird, läßt sich in drei Hauptperioden teilen: frühminoisch (noch 3. Jahrtausend), mittcl-
minoisch (erste Hälfte des 2. Jahrtausends), spätminoisch (16. bis 13. Jahrhundert). Aus der
letzten Periode rühren in den Hauptstädten Knossos und Phästos große unbefestigte Palast-
anlagen her mit Torbauten, mit einem weiten mittleren Hof, um den Säle und kleinere
Gemächer, auch Kapellen gruppiert sind, mit breiten Treppen, die zu obere» Stockwerken
führen, mit Lichtschachten, Magazinen, Werkstätten und mit mannigfachen hygienischen An-
lagen. In dem Palast von Knossos unterscheidet man ein Throngemach mit Wandbänken
und einem steinernen Thron (Abb. 69) in der Mitte, dann Säle, deren Wände zum Teil in