Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
II!. Kunst der neueren Zeit.

1. Die italienische Renaissance.
dem französischen Worte Renaissance („Wiedergeburt") bezeichnet man ün all- .
gemeinen jene tiefgreifende Wandlung in der Kultur des Abendlandes, die von der
durch die Kirche bestimmten Weltanschauung des Mittelalters hinüberlcitet in die moderne
Lebensauffassung, die das persönliche Empfinden (den Subjektivismus) in allen Lebens-
äußerungen zur Entfaltung bringt. Das Aufkommen des neuen Geistes wird in Italien
seit dem 14. Jahrhundert bemerkt. Dabei gewinnt in den durch Gewerbfleiß und Handel
blühenden Städten das Bürgertum an selbstbewußter Kraft und wetteifert in gesellschaftlicher ,
Bildung, in Ruhmsucht und Prachtentfaltung mit den ritterlichen Herren und Tyrannen.
In der Literatur erlangt die Volkssprache Ebenbürtigkeit neben der offiziellen Latinität
(Dante), schafft vor allem der Humanismus der wissenschaftlichen Erkenntnis freiere Bahn
und erzeugt allmählich das alle romanischen Völker durchdringende Vorurteil eiuer zur Welt-
herrschaft berufenen „lateinischen" Kunst und Kultur. In der Kunst aber tritt der Mensch
in seinem persönlichen Empfinden gegenüber sich selbst und gegenüber der ihn umgebenden
Natur in sein volles Recht.
Von dem allgemeinen Begriff der Renaissance als dem Erwachen der Persönlichkeit, der
Individualität, ist zu trennen die Wiedergeburt oder das Wiedererkennen der „guten
Kunst" der klassischen Antike, die die Italiener der „barbarischen", „gotischen" mittelalter-
lichen Kunst gegenüberstellen. Der Maler Vasari, der 1550 seine Künstlerbiographien
herausbrachte, hatte mit der „Wiedergeburt" (rinascitä) den Aufschwung der Künste nach
der Barbarei des Mittelalters überhaupt gemeint. In Italien zielen die Bestrebungen
dieser Renaissance aber erst im 15. Jahrhundert bewußt auf das Ideal einer klassischen
Kunst hin, und man ist übereingekommen, die im 15. und 1l>. Jahrhundert dieser Richtung
folgende Kunst Renaissance (im engeren Sinne) zu nennen. In Florenz tritt die neue
Kunstbewegung zuerst auf, sie entwickelt sich schnell zu eiuer national italienischen nnd ge-
winnt nach und nach eine internationale Bedeutung. Denn bei allen romanischen Völkern
findet diese formale Kultur und Verherrlichung der Sinnlichkeit im Geiste der klassischen
Kunst willige Aufnahme, während sie bei den ganz und den vorwiegend germanischen
Völkern mehr oder weniger auf Hemmungen gestoßen ist. Bei den von Grund aus anders
gearteten Deutschen z. B. war die Bewegung zur Befreiung von den Fesseln, in die die
mittelalterliche Kirche das Leben und die Kultur gelegt hatte, viel mehr auf sittliche und
religiöse als auf weltliche und ästhetische Ziele gerichtet. Neben die verführerische Form-
kultur des Südens tritt die ernste Jnhaltskultur des Nordens.
s) Die Baukunst der italienischen Renaissance.
Das 15. Jahrhundert (Quattrocento).
Kennzeichnend für die Frührenaiffance, das Quattrocento, ist das allmähliche Ver-
lassen der mittelalterlichen Tradition und die zunehmende Anlehnung an die Dauformen
der spätrömischen Antike. An einzelnen aus dem Bauorganismus losgelösten Ziergliedern,
 
Annotationen