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Kunst des Mittelalters.
rcizvollc Straßenbilder, wie sie uns allenthalben in deutschen und flandrischen Städten
(Nürnberg, Lüneburg — Npern, Brügge) anheimeln. Von den seltenen Steinwerken haben
sich gute Beispiele in Köln, Frankfurt, Nürnberg erhalten, zahlreicher sind sic natürlich im
romanischen Sprachgebiet, in Südfrankreich, Spanien, besonders in Italien, wo sich frühzeitig
der Palaftsiil des Bürgerhauses entwickelte. Ein ähnlicher Vorgang läßt sich an französischen
reichen Bürgerhäusern, wie an dem Hause des Schatzmeisters Jacques Coeur in Bourges,
an dem Hotel de Cluny in Paris und Bourgtheroulde in Rouen beobachten.
6. Bildende Kunst und Kunstgewerbe des Abendlandes.
Frühmittelalterliche und romanische Kunst.
Solange die mittelalterliche Weltanschauung herrschte, entwickelten sich die bildenden
Künste, die Malerei und Plastik in enger Abhängigkeit von der Kirche. Die katholische
Kirche stellte der Bildkunst die Aufgabe anschaulicher Verdeutlichung der christlichen Glaubens-
lehre. Geistige Begriffe, religiöse Gedanken galt cs zu versinnlichen, nicht aber die Er-
scheinungswelt treu im Bilde zu spiegeln. Den jungen Völkern, denen die Kirche eine neue
Kultur vermittelt hatte, fehlte noch der Sinn für die künstlerische Wiedergabe der natürlichen
Form an sich. Sie mußten die Kunst an der Hand der Überlieferung erlernen. Die Gestalten,
Szenen, Symbole, die der Maler für die Buchillustration brauchte, oder aus denen in den
Kirchen gewaltige Bilderfolgen voll tiefer Theologie und Mystik erwuchsen, waren gegeben
und durch langes Herkommen geheiligt. Verständlich vor allem mußte der Künstler sein,
deshalb wählte er die der Vorstellung geläufigsten Formen in Haltung, Bewegung und
Gebärde. Die menschliche Figur beschäftigt ihn am meisten, alles andere ist ihm Nebensache.
So genügen wenige typische Merkmale: ein stilisierter Baum, ein Tor, ein paar Türme
zur Andeutung der Örtlichkeit (Abb. 3S6, 397). Das Hintereinander wird wie bei den
alten Orientalen zum Neben- und Übereinander: die einzelnen Szenen werden zum Ab-
lesen aufgereiht (Abb. 395). Bei solcher Abstraktionskraft und Befangenheit liegt dem mittel-
alterlichen Künstler nichts ferner als die Illusion räumlicher Vertiefung, körperlich schattierender
Rundung oder landschaftlicher Stimmung. Um so stärker ist das Stilgefühl und die deko-
rative Wirkung dieser Malerei. Die Farben sind ebenso konventionell wie die scharf um-
rissenen Formen; sie wirken durchaus flächig. In enger Verbindung mit der Architektur
steht auch die Plastik, und so erklärt sich die logische Geschlossenheit und Harmonie des
mittelalterlichen Gesamtkunstwerkes im romanischen und im gotischen Stil.
Aus karlingisch-ottonischer Zeit ist von der monumentalen Malerei, wie sic in der
Aachener Kapelle oder in der Ingelheimer Kaiserpfalz angewandt worden ist, nichts erhalten.
Die Jnnenräume der frühmittelalterlichen Kirchen, die uns jetzt oft kahl oder durch moderne
Wiederherstellungen entstellt erscheinen, waren aber durch die Malerei belebt mit bildlichen Dar-
stellungen und mit ausdrucksvollen Ornamenten. Allmählich traten an die Stelle der gemalten
Gliederungen plastische Gesimse, Friese und Kapitelle, und neben der ornamentalen Plastik ent-
wickelten sich die figürliche Plastik und die Historienmalerei zu selbständigeren Kunstgattungen.
Für den Mangel an frühen Wandmalereien entschädigt der Bildschmuck der in statt-
licher Anzahl erhaltenen liturgischen Handschriften: der Evangeliare, Psalter, Sakramcntare
und der Abschriften spätantiker Literamrwerkc wie des Physiologus und der Kalendarien.
Alle diese in klösterlichen Schreibstuben entstandenen Schriftwerke sind mit zierlichen
Initialen und Illustrationen, mit Miniaturen geschmückt. Gerade diese kostbaren Denk-
mäler zeigen aber, wie die Buchmalerei der karlingisch-ottonischen Zeit abhängig ist von
Kunst des Mittelalters.
rcizvollc Straßenbilder, wie sie uns allenthalben in deutschen und flandrischen Städten
(Nürnberg, Lüneburg — Npern, Brügge) anheimeln. Von den seltenen Steinwerken haben
sich gute Beispiele in Köln, Frankfurt, Nürnberg erhalten, zahlreicher sind sic natürlich im
romanischen Sprachgebiet, in Südfrankreich, Spanien, besonders in Italien, wo sich frühzeitig
der Palaftsiil des Bürgerhauses entwickelte. Ein ähnlicher Vorgang läßt sich an französischen
reichen Bürgerhäusern, wie an dem Hause des Schatzmeisters Jacques Coeur in Bourges,
an dem Hotel de Cluny in Paris und Bourgtheroulde in Rouen beobachten.
6. Bildende Kunst und Kunstgewerbe des Abendlandes.
Frühmittelalterliche und romanische Kunst.
Solange die mittelalterliche Weltanschauung herrschte, entwickelten sich die bildenden
Künste, die Malerei und Plastik in enger Abhängigkeit von der Kirche. Die katholische
Kirche stellte der Bildkunst die Aufgabe anschaulicher Verdeutlichung der christlichen Glaubens-
lehre. Geistige Begriffe, religiöse Gedanken galt cs zu versinnlichen, nicht aber die Er-
scheinungswelt treu im Bilde zu spiegeln. Den jungen Völkern, denen die Kirche eine neue
Kultur vermittelt hatte, fehlte noch der Sinn für die künstlerische Wiedergabe der natürlichen
Form an sich. Sie mußten die Kunst an der Hand der Überlieferung erlernen. Die Gestalten,
Szenen, Symbole, die der Maler für die Buchillustration brauchte, oder aus denen in den
Kirchen gewaltige Bilderfolgen voll tiefer Theologie und Mystik erwuchsen, waren gegeben
und durch langes Herkommen geheiligt. Verständlich vor allem mußte der Künstler sein,
deshalb wählte er die der Vorstellung geläufigsten Formen in Haltung, Bewegung und
Gebärde. Die menschliche Figur beschäftigt ihn am meisten, alles andere ist ihm Nebensache.
So genügen wenige typische Merkmale: ein stilisierter Baum, ein Tor, ein paar Türme
zur Andeutung der Örtlichkeit (Abb. 3S6, 397). Das Hintereinander wird wie bei den
alten Orientalen zum Neben- und Übereinander: die einzelnen Szenen werden zum Ab-
lesen aufgereiht (Abb. 395). Bei solcher Abstraktionskraft und Befangenheit liegt dem mittel-
alterlichen Künstler nichts ferner als die Illusion räumlicher Vertiefung, körperlich schattierender
Rundung oder landschaftlicher Stimmung. Um so stärker ist das Stilgefühl und die deko-
rative Wirkung dieser Malerei. Die Farben sind ebenso konventionell wie die scharf um-
rissenen Formen; sie wirken durchaus flächig. In enger Verbindung mit der Architektur
steht auch die Plastik, und so erklärt sich die logische Geschlossenheit und Harmonie des
mittelalterlichen Gesamtkunstwerkes im romanischen und im gotischen Stil.
Aus karlingisch-ottonischer Zeit ist von der monumentalen Malerei, wie sic in der
Aachener Kapelle oder in der Ingelheimer Kaiserpfalz angewandt worden ist, nichts erhalten.
Die Jnnenräume der frühmittelalterlichen Kirchen, die uns jetzt oft kahl oder durch moderne
Wiederherstellungen entstellt erscheinen, waren aber durch die Malerei belebt mit bildlichen Dar-
stellungen und mit ausdrucksvollen Ornamenten. Allmählich traten an die Stelle der gemalten
Gliederungen plastische Gesimse, Friese und Kapitelle, und neben der ornamentalen Plastik ent-
wickelten sich die figürliche Plastik und die Historienmalerei zu selbständigeren Kunstgattungen.
Für den Mangel an frühen Wandmalereien entschädigt der Bildschmuck der in statt-
licher Anzahl erhaltenen liturgischen Handschriften: der Evangeliare, Psalter, Sakramcntare
und der Abschriften spätantiker Literamrwerkc wie des Physiologus und der Kalendarien.
Alle diese in klösterlichen Schreibstuben entstandenen Schriftwerke sind mit zierlichen
Initialen und Illustrationen, mit Miniaturen geschmückt. Gerade diese kostbaren Denk-
mäler zeigen aber, wie die Buchmalerei der karlingisch-ottonischen Zeit abhängig ist von