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2. Die Kunst diesseits der Alpen bis zum 16. Jahrhundert.

SI. Der Genter Altar bei geschloffenen Türen.
van Eyck begonnen, aber 1 >32 von seinem

ist seinem christlichen Glaubensinhalt nach und
in dem viclgliedrigcn System der Schilderung
ein mittelalterliches Werk. Um so neuartiger
erscheint die lebensvolle Versinnlichnng des
religiösen Vorwurfs, die Feinheit der Natur-
beobachtung, die Leuchtkraft und Harmonie der
Farben, das Gefühl für Licht- und Luftwir-
kungen in der Schilderung der Landschaft und
des Innenranms. Bei geschlossenen Flügeln
(Textabb. 61) siebt man zu unterst den Stifter
und seine Frau kniend vor den beiden Jo-
hannes (stcinfarbig), darüber die Verkündigung
und als oberen Abschluß zwei Propheten und
Sibyllen — damit ist der Hinweis auf das
Erscheinen des Heilands gegeben. Geöffnet
(Textabb. 62) zeigt der Altar zwei Geschosse.
Oben zu äußerst das erste Menschenpaar und
singende Engel, in der Mitte thront Gott-
vater mit dem Täufer und Maria zu seinen
Seiten, darunter schwebt die Taube und vertritt
den erwarteten Jesus — das Opferlamm auf
dem Altar. Scharen der Gläubigen nahen sich
dem Lebensbrunnen: zuvorderst knien die Pro-
pheten und die Apostel, dann folgen die kirch-
lichen Stände und die Laien, Heilige, die
Streiter Christi und Einsiedler. Wie die In-
schrift meldet, wurde das Werk von Hubert
Bruder Jan vollendet. Über den Anteil der Brüder an dem Werke ist die Forschung noch
zu keinem Abschluß gekommen. Von dem älteren Bruder Hubert, der 1426 starb, wissen
wir wenig, von Jan, der 1441 starb, hören wir, daß er Hofmaler Philipps von Burgund
und Johanns von Baiern gewesen ist und daß er Reisen im Auftrag seiner Herren machte.
Hauptsächlich hielt sich Jan in Brügge auf. In den Werken, die ihm zugeschrieben werden,
Altarbildern, Madonrren, Bildnissen (Abb. 676, 677), ist die Schärfe der Charakteristik, die
Klarheit der Darstellung, die lebhafte und doch feine Farbigkeit bewundernswert. Der Einfluß
der Eyck — als ein Schüler Jans wird Petrus Christus in Brügge hervorgehoben — ist
groß gewesen, nicht nur auf die niederländisch-burgundische, sondern auch auf die fran-
zösische, die spanische und die deutsche Kunst. Die konsequente Anwendung der Ölfarben
(Anmerkung S. 85) statt der Temperafarben ist ebenfalls ein Verdienst der Gebrüder Eyck.
In Brüssel begründete Roger van der Weyden aus Tonrnai (gest. 1464) die bra-
bantische Schule. Sein Ruhm drang weit wie der de^ Eyck durch die Welt. Die Figuren
seiner AudachtSbilder (Abb. 673) sind herb und unruhig, die Passionsszcncn dramatisch auf-
gefaßt und eindringlich vorgestellt. Seiner Art verwandt ist der Meister von Flemalle,
so genannt nach einem Altarbild, das ans der Abtei Flemalle hcrrübrt; seine Schilderung
der hl. Barbara gibt einen reizvollen Einblick in ein gotisches Heim (Abb. 670). Ein
anderer Künstler, Hugo van der Goes aus Gent, der 1465 im Wahnsinn starb, über-
trifft Roger in der inbrünstigen Schilderung gläubiger Sehnsucht. Das Altarbild, das aus
Monfortc in Nordspanieu kürzlich für das Berliner Museum erworben wurde, mit einer
 
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