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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0016
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VIII

Deutschlands im Herzen trugen. Ich hörte immer wieder
darüber sprechen und wurde, da auch einem Kinde fühlbare
wirthschaftliche Folgen eingreifender Art mit der Dienst-
entlassung meines Vaters und Onkels verbunden waren, in
eine selbständige Betrachtung des Geschehenden hineingenöthigt:
ich gewann historische Ueberzengungen ohne von Geschichte zu
wissen, hatte das Gefühl, für mein Theil politische Schick-
sale des Vaterlands mitzuerleben, und sah aus dem beschränkten
Kreise meines Daseins auf diejenigen als Nichtwissende herab,
die an den Göttinger Ereignissen und den darauffolgenden
weiteren Schicksalen Jacob und Wilhelm Grimm's nicht mit
dem Herzen betheiligt waren.
Ich spreche von diesen weitzurückliegenden Jugendzeiten,
weil mir öfter der Unterschied zwischen der historischen An-
schauung derer aufgefallen ist, welche als Kinder schon aus
persönlichen Erlebnissen heraus in eine gewisse nothwendige
Position geschichtlichen Ueberblicks gebracht wurden, und denen,
die, auf Gymnasium und Universität erst mit der Historie
schulmäßig bekannt geworden, sich in freier Neigung das
wissenschaftlich begrenzte Gebiet wählten, dem sie ihre jugend-
liche Arbeitskraft widmen wollen. Einflüsse dieser Art habe ich
niemals erfahren, in diesem Sinne niemals Lehrer gehabt,
der Zufall führte mir die Gedanken zu, die sich in nur zu
etwas verdichteten, das litterarifche Gestalt annahm. Es bildete
sich in mir der Glaube, daß die „Geschichte der Völker"
als eine nie abbrechende einheitliche Bewegung verlaufe, von
ineinandergreifenden Wirklingen geistiger nnd thätlicher Art
ausgehend, fortgeführt von die übrigen Menschen über-
ragenden, einzelnen Männern, welche jedoch des Volkes be-
durften, um in sich ein Echo ihrer eigenen Gedanken und
 
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