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die Welt dann beherrschenden germanischen Völker ihres
Anblickes froh zu werden wünschen. Ich erblicke in der Ilias den
Versuch eines Dichters, die Helden griechischen Blutes darzu-
stellen, die lange vor Homer Ungeheures einst vollbrachten. In
Achill und Hektor, Agamemnon und Priamos, Zeus und Apollo
lebte vielleicht die nationale Erinnerung an für immer namen-
lose Thaten und Helden nur wieder auf. In König Günther,
Hagen und Siegfried erhoben sich längst vergessene Männer
der deutschen Vorzeit wieder. Tacitus spricht, über ein
Jahrhundert nach Armin's Tode, von Liedern, in denen
bei den barbarischen Völkern Armin gefeiert wckrde:
vielleicht daß damals schon in Armin's Gestalt die Formen
uralter, dem Namen nach bereits verlorener, einheimischer
Helden einflossen; wie in Goethe's Iphigenie, ohne daß der
Dichter selbst es ahnte, das urdeutsche Gefühl sich neu belebte,
von deni Tacitus berichtet, es sei der Glaube der Deutschen,
daß in den Frauen etwas Göttliches liege. Das Blut
Velleda's und das der unter fremder Herrschaft schmachtenden
Thusnelde hatte an Goethe's Iphigenie vielleicht seinen Antheil.
Und so werden immer wieder unsre Dichter scheinbar historische
Namen suchen, unter denen doch nur deutsches urewiges Gefühl
wiederauftaucht. In Shakespeare's englischen Königsbildern
treten Urbegriffe nationaler Traumwelt auf, einstmalige wirkliche
Herrscher, denen der Dichter, unbewußt das Längstvergangne
wiederentdeckend, historische Namen beilegte. In Hamlet und
Faust erheben sich, mit fremden Schicksalen umhüllt, germanische,
heute verwitterte Urgestalten, zu denen wir emporblicken als
hätten sie in bestimmten Zeiten gelebt. Einmal haben sie gelebt!
Diese Ausgeburten dichterischer Phantasie scheinen mir heute
noch mitten in die lebenden Völker hineinzugehören, als Theile
die Welt dann beherrschenden germanischen Völker ihres
Anblickes froh zu werden wünschen. Ich erblicke in der Ilias den
Versuch eines Dichters, die Helden griechischen Blutes darzu-
stellen, die lange vor Homer Ungeheures einst vollbrachten. In
Achill und Hektor, Agamemnon und Priamos, Zeus und Apollo
lebte vielleicht die nationale Erinnerung an für immer namen-
lose Thaten und Helden nur wieder auf. In König Günther,
Hagen und Siegfried erhoben sich längst vergessene Männer
der deutschen Vorzeit wieder. Tacitus spricht, über ein
Jahrhundert nach Armin's Tode, von Liedern, in denen
bei den barbarischen Völkern Armin gefeiert wckrde:
vielleicht daß damals schon in Armin's Gestalt die Formen
uralter, dem Namen nach bereits verlorener, einheimischer
Helden einflossen; wie in Goethe's Iphigenie, ohne daß der
Dichter selbst es ahnte, das urdeutsche Gefühl sich neu belebte,
von deni Tacitus berichtet, es sei der Glaube der Deutschen,
daß in den Frauen etwas Göttliches liege. Das Blut
Velleda's und das der unter fremder Herrschaft schmachtenden
Thusnelde hatte an Goethe's Iphigenie vielleicht seinen Antheil.
Und so werden immer wieder unsre Dichter scheinbar historische
Namen suchen, unter denen doch nur deutsches urewiges Gefühl
wiederauftaucht. In Shakespeare's englischen Königsbildern
treten Urbegriffe nationaler Traumwelt auf, einstmalige wirkliche
Herrscher, denen der Dichter, unbewußt das Längstvergangne
wiederentdeckend, historische Namen beilegte. In Hamlet und
Faust erheben sich, mit fremden Schicksalen umhüllt, germanische,
heute verwitterte Urgestalten, zu denen wir emporblicken als
hätten sie in bestimmten Zeiten gelebt. Einmal haben sie gelebt!
Diese Ausgeburten dichterischer Phantasie scheinen mir heute
noch mitten in die lebenden Völker hineinzugehören, als Theile