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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0078
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54

Anfangs war der Mittelsatz der umfangreichste Theil des
Gebetes gewesen, und die angehängten Reihen klangen wie
ein bloßer Zusatz; in Rom dagegen gibt der Dichter dem
ersten Gedanken sechs Verse, dem zweiten zehn, da er die
herrliche Beschreibung der Göttin selbst noch hineinflicht, und
dem dritten verleiht er durch einige prachtvolle Adjectiva
größere Fülle und nimmt jeden Anschein von Vorwurf hin-
weg. Im Gegensätze der anfänglichen Fassung wird der
Schluß der Anrede so nun gewandt, daß nicht an die Ver-
stoßung des Tantalus, sondern an das Glück erinnert wird,
das ihm aus dem Mitgenuß des Himmels erwuchs, auch wenn
er nur auf eiue Weile gegönnt ward^).

Nun
Monolog:
also, in der römischen Gestaltung, lautet der
Du hast Wolken, gnädige Retterin,
Einzuhüllen unschuldig Verfolgte
Und auf Winden dem eh'rnen Geschick sie
Aus den Armen, über das Meer,
Ueber der Erde weiteste Strecken,
Und wohin es dir gut dünkt, zu tragen.
Weise bist du und stehest das Künftige,
Nicht vorüber ist dir das Vergang'ne,
Und dein Blick ruht über den Deinen,
Wie dein Licht, das Leben der Nächte,
Ueber der Erde ruhet und waltet,
O, enthalte vom Blut meins Hände!
Nimmer bringt es Segen und Ruhe;
Und die Gestalt des zufällig Ermordeten
Wird auf des traurig unwilligen Mörders
Böse Stunden lauern und schrecken.
Denn die Unsterblichen lieben der Menschen
Weit verbreitete gute Geschlechter,

i) Wieder das „Weilchen", das uns auch im Gedichte auf das
Veilchen so ergreift.
 
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