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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0271
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247

beiden Männer fehlen uns. Man sagt sich, es sei anders ge-
wesen als sie noch lebten. Curtius war der letzte^ Professor
olognsntisö an der Berliner Universität. Er sprach^bei fest-
lichen Gelegenheiten in wohlgefügten Gedankenreihen Dinge
aus, die Vertrauen erweckten, und es wurde weitergesprochen
über das, was er sagte. Von Curtius ging ein gelindes,
aber durch seine Stätigkeit fühlbares Urtheil aus. Man
stimmte nicht immer ein, aber es war eine Willensäußerung.
In seinem Beharren auf bekanntem Standpunkte lag eine
Kraft. Es war, als dürfe diese Weltanschauung nicht ohne
Vertreter sein. Wir fühlen immer von neuem, daß Curtius
nicht mehr da ist. Auch Treitschke sprach zu den gesummten
Studirenden. Seltner, aber mit noch sichtbarerer Wirkung.
Seine Reden waren wie seine Bücher, Ereignisse. Lange nun
schon schweigen Treitschke und Curtius.
Ich habe gleich nach beider Männer Tode niederzu-
schreiben versucht, was die ihnen Nahestehenden in ihnen
verloren hatten'). Ich habe das Bedürfniß, da Treitschke's
und Curtius' lebhafter wieder als der Mänuer gedacht wird,
die eine bestimmte Stelle an der Berliner Universität inne-
hatten, noch einmal von ihnen zu reden; nicht im Affect wie
zuerst, sondern uni zu zeigen, was sie uns gewesen sind.
Curtius und Treitschke waren sehr verschiedene Naturen.
Bei Curtius wurde eiu dauerndes Widerstreben empfunden
gegen das, was er nun einmal nicht wollte, ein Bestreben
das Weltgetriebe zu construiren wie er es sah, als sehe Jeder
es so oder möge es so sehen: bei Treitschke empfanden wir
mehr die Aeußerung umgestaltender Macht. Curtius wieder-

') Beiträge zur deutschen Kulturgeschichte: 1897.
 
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