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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0272
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holte mit Lebhaftigkeit, aber ruhig seine festen alten Ge-
danken, ohne sich um die zu kümmern, die anderer Meinung
waren; Curtius vertheidigte, Treitschke griff an, er suchte
seine Gegner niederzudonnern. Als Curtius starb, wurde viel
über ihn geschrieben. Diese Ergüsse glichen sich darin, daß
sie ein blühendes Lebensbild des Entschlafenen lieferten, seine
menschlichen Schicksale priesen, sein Jugendleben in das hellste
Licht brachten; Niemand aber klagte über seinen Verlust für
die actuelle Archäologie. Bei Treitschke ließen wir seine frühe-
ren Phasen auf sich beruhen; es wurde ängstlich gefragt, wie-
viel von seinem nächsten Bande geschrieben sei und ob seine
Vorlesungen gedruckt werden würden. Auf ihn war gehofft,
gerechnet worden. Bei Curtius zeigte sich, daß er eine starke
Festung verlassen hatte, die er allein aber besetzt hielt. Sein
Ansehen beruhte ganz auf ihm selber, er war eine Armee.
Sobald er fehlte, war seine Position verlassen. Sie stand da,
glänzend und unerobert, aber leer. Treitschke hatte keine
Festung. Er war auf dem Marsche. Plötzlich verschwand er.
Es ist als sitze er in irgend einer Höhle, um die die Raben
fliegen und warte die Zeit ab, wo er sein Schwert wieder
ergreifen werde. Treitschke gehörte der neuen Zeit an, Cur-
tius der vergangenen. Curtius' Epoche fand ihren Abschluß
in seinen eigenen letzten Tagen. Heute schon wird sie fast
nicht mehr verstanden. Wer weiß, wie tief, lebte Fürst Bis-
marck nicht noch, das Jahr 1870 bereits im Nebel stecken
würde. Wer gedenkt noch der Nike, die in Olympia gefun-
den wurde?
Curtius ward in Lübeck, einer freien Stadt, geboren.
Er war ein deutscher Republikaner. Hierin vielleicht liegen
die ersten Anfänge seiner Schwärmerei für Athen. Geordnetes
 
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