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schreibung ändern sich. Römische Geschichte umfaßte damals
die Zeiten von der Gründung der Stadt bis zu Cäsar's Tode.
Unter den kämpfenden Plebejern und Patriziern verstanden
wir unsere eigenen liberalen bürgerlichen Constitutionellen
und die aristokratischen adeligen Junker. Das römische Kaiser-
reich ging uns wenig an. Heute beginnen die uns wichtigen
Zeiten Roms mit Augustus' Tode wo Tacitus ansetzt. Der
Kampf des geistlichen Imperiums mit dem weltlichen inter-
essirt uns. Unsere Geschichtsschreibung ringt danach, dies
wunderbare Phänomen zu erklären und sucht nach immer
neuen Punkten, die Entwickelung der Dinge daraufhin neu
zu construiren. Hier allein liegen die Unterschiede in dem,
was man die „Methode" der Historiker nennt. Methode ist
die Kunst, geistige Centralpunkte zu finden, um die herum
der unendliche Vorrath zusammenhangsloser Nachrichten als
um scheinbare Mitten nun sich herumlegt, so daß der An-
schein providentieller Bewegungen entsteht. Diese Mitten aber
und diese Bewegungen ändern sich beständig. Ranke's Ent-
wickelungsgang als Resultat von eigenem Charakter, Zeit-
charakter und sich verkettenden Zufällen betrachtet, macht seine
Methode ganz verständlich. Ranke arbeitete anders in den
Archiven als Treitschke. Aller Streit über dergleichen fällt
unbefangenen Erwägungen gegenüber zusammen. Treitschke,
Ranke und Curtius lassen sich nur aus sich selbst erklären.
Ranke's Epoche war wie die Curtius' abgethan, als er starb.
Sein irdischer Dienst war zu Ende. Wir bedürfen heute
anderer Arrangements der Ereignisse. Curtius schrieb seine
Geschichte der Griechen, uni die Schönheit ihrer Lebensfüh-
rung zu verherrlichen. Fürst Bismarck') antwortete, als
i) Damals noch nicht Fürst.
Herman Grimm, Fragmente. 17
schreibung ändern sich. Römische Geschichte umfaßte damals
die Zeiten von der Gründung der Stadt bis zu Cäsar's Tode.
Unter den kämpfenden Plebejern und Patriziern verstanden
wir unsere eigenen liberalen bürgerlichen Constitutionellen
und die aristokratischen adeligen Junker. Das römische Kaiser-
reich ging uns wenig an. Heute beginnen die uns wichtigen
Zeiten Roms mit Augustus' Tode wo Tacitus ansetzt. Der
Kampf des geistlichen Imperiums mit dem weltlichen inter-
essirt uns. Unsere Geschichtsschreibung ringt danach, dies
wunderbare Phänomen zu erklären und sucht nach immer
neuen Punkten, die Entwickelung der Dinge daraufhin neu
zu construiren. Hier allein liegen die Unterschiede in dem,
was man die „Methode" der Historiker nennt. Methode ist
die Kunst, geistige Centralpunkte zu finden, um die herum
der unendliche Vorrath zusammenhangsloser Nachrichten als
um scheinbare Mitten nun sich herumlegt, so daß der An-
schein providentieller Bewegungen entsteht. Diese Mitten aber
und diese Bewegungen ändern sich beständig. Ranke's Ent-
wickelungsgang als Resultat von eigenem Charakter, Zeit-
charakter und sich verkettenden Zufällen betrachtet, macht seine
Methode ganz verständlich. Ranke arbeitete anders in den
Archiven als Treitschke. Aller Streit über dergleichen fällt
unbefangenen Erwägungen gegenüber zusammen. Treitschke,
Ranke und Curtius lassen sich nur aus sich selbst erklären.
Ranke's Epoche war wie die Curtius' abgethan, als er starb.
Sein irdischer Dienst war zu Ende. Wir bedürfen heute
anderer Arrangements der Ereignisse. Curtius schrieb seine
Geschichte der Griechen, uni die Schönheit ihrer Lebensfüh-
rung zu verherrlichen. Fürst Bismarck') antwortete, als
i) Damals noch nicht Fürst.
Herman Grimm, Fragmente. 17