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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0280
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256

möglich ist. Die Bilder der Röntgenstrahlen haben Etwas an
sich, das sie beinahe als Wunder qualificirt. Wir erwarten neue
Enthüllungen unserer Seelenkräfte und derer der Natur.
Dieses Umhertasten am Unbekannten erfüllt uns. Die
Antike verblaßt. Nach den Anfängen unserer modernen ger-
manischen Existenz wird zwar gesucht, eine Verwirrung dessen
aber was nur geahnt wird und dessen was gewußt werden
kann, ist hier eingetreten. Während bis jetzt die Meinung
vorherrschte, einzelne, durch Begabung und Glück hervor-
ragende Menschen hätten den Fortschritt der Völker vollbracht,
gewinnt das Gefühl beinahe schon die Uebermacht, die diese
leuchtenderen Gestalten umgebenden dunkleren Massen des
Volkes seien so sehr als an ihren Erfolgen und an ihrer
Schulung für die Durchführung ihrer Rolle betheiligt anzu-
sehen, daß diese Umgebung gleichsam als die Armee gedacht
werden müsse, ohne welche die Führer keine Siege erfochten
hätten. Treitschke und die Neuesten stehen sich hier scheinbar
zwar gegenüber, und doch schildert Treitschke, indem er
Lamprecht in harten Worten zurückweist, ganz in dessen Art
das die großen Einzelnen umgebende, mehr in der Dämme-
rung liegende Element, und ebensowenig widerspricht Ranke
der historischen Auffassung der Neuesten, nur daß Ranke
seiner ganzen Stellung nach die Geschichte Deutschlands
weniger von der nationalen Seite ansieht. Die heutigen Ent-
wickelungen der Völker, die uns zwingen, die Gedanken der
arbeitenden Massen zum Gegenstand wissenschaftlicher Unter-
suchung zu machen, waren dem Publicum Ranke's, für das
er schrieb, unbekannt. Als ich bei Ranke Vorlesungen hörte,
hätte keiner seiner Zuhörer daran gedacht, über dergleichen
seine Meinung zu verlangen. Die Aufgaben der Geschichte-
 
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