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wir die nachwachsenden Generationen auf Beides, vorzu-
bereiten. —
Zu Curtius und Treitschke scheint Ranke als Dritter zu
gehören. Ich stelle ihn aber nicht mit ihnen in gleiche Reihe,
weil er schon zu fern steht. Man sollte eher das Gegentheil
denken, denn eine Vereinigung jüngerer Historiker nennen sich
nach ihm, und es ist letzter Zeit oft von ihm die Rede ge-
wesen. Er war vor 50 Jahren mein Lehrer. Gerade des-
halb empfinde ich, wie weit er heute von uns abliegt. Schon
damals war seine Blüte vorüber.
Ranke bildet vor meinen Blicken kein Ganzes. Er beginnt
nicht sichtbar und hört nicht sichtbar auf. Er verschwindet mehr.
Ranke fügte als Geschichtsschreiber den Reichen der
Griechen und Römer das der modernen Völker zu. Die
Zeiten der Griechen und der Römer waren damals wie gol-
dene Welten, an die unsere kupferne neueste nicht heran-
reichte. Diese beiden hatten Alles vorhergedacht und vorher-
gethan. Und das Christenthum erschien uns als ein letzter
Anhang der alten Geschichte, an den zu rühren nicht gut
mar. Der Eintritt Christi war wie eine Episode, über die
man lieber schwieg. Voltaire's Deismus und Gibbon's
historischer Standpunkt däuchten uns das Natürliche. Selbst
Ranke, der sich in letzten Aeußerungen seines innersten Ge-
fühls als einen gläubigen Christen gab, fügt Christus in die
Geschichte der Menschheit nur mit gewissen Vorbehalten ein.
Heute wird das Bedürfniß nach dem Transcendentalen offener
ausgesprochen. Die Naturwissenschaften selbst befördern das
Hereintragen des Uebersinnlichen in das Sinnliche. Sie
zeigen unsere irdische Existenz als einem aus unendlicher
Ferne sichtbaren Dasein angehörig, das zu ergründen un-
wir die nachwachsenden Generationen auf Beides, vorzu-
bereiten. —
Zu Curtius und Treitschke scheint Ranke als Dritter zu
gehören. Ich stelle ihn aber nicht mit ihnen in gleiche Reihe,
weil er schon zu fern steht. Man sollte eher das Gegentheil
denken, denn eine Vereinigung jüngerer Historiker nennen sich
nach ihm, und es ist letzter Zeit oft von ihm die Rede ge-
wesen. Er war vor 50 Jahren mein Lehrer. Gerade des-
halb empfinde ich, wie weit er heute von uns abliegt. Schon
damals war seine Blüte vorüber.
Ranke bildet vor meinen Blicken kein Ganzes. Er beginnt
nicht sichtbar und hört nicht sichtbar auf. Er verschwindet mehr.
Ranke fügte als Geschichtsschreiber den Reichen der
Griechen und Römer das der modernen Völker zu. Die
Zeiten der Griechen und der Römer waren damals wie gol-
dene Welten, an die unsere kupferne neueste nicht heran-
reichte. Diese beiden hatten Alles vorhergedacht und vorher-
gethan. Und das Christenthum erschien uns als ein letzter
Anhang der alten Geschichte, an den zu rühren nicht gut
mar. Der Eintritt Christi war wie eine Episode, über die
man lieber schwieg. Voltaire's Deismus und Gibbon's
historischer Standpunkt däuchten uns das Natürliche. Selbst
Ranke, der sich in letzten Aeußerungen seines innersten Ge-
fühls als einen gläubigen Christen gab, fügt Christus in die
Geschichte der Menschheit nur mit gewissen Vorbehalten ein.
Heute wird das Bedürfniß nach dem Transcendentalen offener
ausgesprochen. Die Naturwissenschaften selbst befördern das
Hereintragen des Uebersinnlichen in das Sinnliche. Sie
zeigen unsere irdische Existenz als einem aus unendlicher
Ferne sichtbaren Dasein angehörig, das zu ergründen un-