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Geschichte zu einer exacten Wissenschaft im philologischen
Sinne zu erheben. Ranke sah nur da geschichtliche Forschung,
wo Schriftliches vorlag. Er stand, seine Vorlesungen aus-
genommen, nie im öffentlichen Verkehr. Wo denn aber auch
hätte er wie Treitschke seine Stimme erheben können? Seiner
Zeit gab es keine Volksversammlungen und Parlamente.
Ranke's Ruhm war, mehr zu wissen als irgendjemand und
es eleganter auszusprechen. Sein Satzbau ist geistreich, aber
monoton, doch ist kein überflüssiges ausstreichbares Wort bei
ihm zu finden und jedes inhaltsvoll. Ranke sprach bei weitem
lebendiger als er schrieb. Er hatte im Gespräche den sicheren
Accent, mit dem Staatsmänner scheinbar völlig unbefangen
und wahrhaft ihre Meinung kundgeben. Präcis und be-
lehrend. Es war ein Genuß, mit ihm zu reden, während
nran bei der Lectüre oft das Gewählte seiner Wendungen
empfindet. In Briefen gibt er sich unbekümmerter und kriti-
sirt sich selber. Von seiner Weltgeschichte urtheilte er, sie
habe deshalb vielleicht soviel Glück gemacht, weil der Stil
weniger durchgearbeitet sei als in den früheren Büchern.
Seine letzten, nur dictirten Lebenserinnerungen sind entzückend
frei erzählt. Keines feiner früheren Werke enthält so frische,
blühende Sätze. Er hatte persönliche Freude am Gespräch
und ließ den ganzen Körper beweglich mitreden. Auch Curtius
sprach gern, in besonderer Unterhaltung wie in Gesellschaften,
deren Unterhaltung str dann beherrschte. In seiner letzten
Zeit, als er, schwer krank, doch nur als unwohl gelten wollte,
so daß sein Leiden gar nicht berührt werden durfte, brauchte
er Geselligkeit. Es mußten immer viel Menschen um den
Tisch sitzen. Einsamere Gespräche mit Curtius hatten das
Eigenthümliche, daß er längere Pausen machte und dann wie
Geschichte zu einer exacten Wissenschaft im philologischen
Sinne zu erheben. Ranke sah nur da geschichtliche Forschung,
wo Schriftliches vorlag. Er stand, seine Vorlesungen aus-
genommen, nie im öffentlichen Verkehr. Wo denn aber auch
hätte er wie Treitschke seine Stimme erheben können? Seiner
Zeit gab es keine Volksversammlungen und Parlamente.
Ranke's Ruhm war, mehr zu wissen als irgendjemand und
es eleganter auszusprechen. Sein Satzbau ist geistreich, aber
monoton, doch ist kein überflüssiges ausstreichbares Wort bei
ihm zu finden und jedes inhaltsvoll. Ranke sprach bei weitem
lebendiger als er schrieb. Er hatte im Gespräche den sicheren
Accent, mit dem Staatsmänner scheinbar völlig unbefangen
und wahrhaft ihre Meinung kundgeben. Präcis und be-
lehrend. Es war ein Genuß, mit ihm zu reden, während
nran bei der Lectüre oft das Gewählte seiner Wendungen
empfindet. In Briefen gibt er sich unbekümmerter und kriti-
sirt sich selber. Von seiner Weltgeschichte urtheilte er, sie
habe deshalb vielleicht soviel Glück gemacht, weil der Stil
weniger durchgearbeitet sei als in den früheren Büchern.
Seine letzten, nur dictirten Lebenserinnerungen sind entzückend
frei erzählt. Keines feiner früheren Werke enthält so frische,
blühende Sätze. Er hatte persönliche Freude am Gespräch
und ließ den ganzen Körper beweglich mitreden. Auch Curtius
sprach gern, in besonderer Unterhaltung wie in Gesellschaften,
deren Unterhaltung str dann beherrschte. In seiner letzten
Zeit, als er, schwer krank, doch nur als unwohl gelten wollte,
so daß sein Leiden gar nicht berührt werden durfte, brauchte
er Geselligkeit. Es mußten immer viel Menschen um den
Tisch sitzen. Einsamere Gespräche mit Curtius hatten das
Eigenthümliche, daß er längere Pausen machte und dann wie