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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0305
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281

die Epoche unserer höchsten Blüthe nicht zugleich die sein soll,
von der ab unser Niedergang anhebt.
Die griechische Kunst wird nie aufhören die Stellung
innezuhalten, die ihrer Uebermacht gebührt. Im Dienste
wunderbar begabter Generationen, deren Gedankenarbeit das
Erhabenste ist, was wir besitzen, haben die griechischen Künstler
Jahrhunderte hindurch an der Vollendung einer Reihe idealer
Bildnisse gearbeitet, die gewisse Typen griechischer Menschen-
natur bis zum Göttlichen steigerten. In der neuen Alter-
thumskunde, die unseren Hochschulen ersten Ranges bevor-
steht, werden die Versuche einer würdigen Beschreibung der
inhaltreichsten Leistungen der griechischen Skulptur in deut-
scher Sprache wieder die höchste Stelle einnehmeu. Zum
Apollo von Belvedere und dem Laokoon wird man immer
wieder zurückkehren. Wo und wie und wann diese beiden
erhabensten Werke menschlicher Kunst entstanden sind: noch
sind sie unentthront die einzigen Sculpturen der antiken Welt,
in denen menschliches Leiden und Leidenschaft in unserem
Sinne künstlerisch verklärt werden. Nur wenige unter der
großen Schaar der übrigen Statuen nähern sich diesen beiden.
Einer der großen Verluste der uns heute bedrückt, ist, daß
uns die Fähigkeit beinahe entwandt worden ist, Homer, den
Apoll von Belvedere und den Laokoon zu verstehen und uns
für sie zu begeistern. Einer späteren Epoche wird ein solcher
Zustand freiwilliger Selbstberaubung unmöglich erscheinen.
 
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