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DIE SCHRIFT

EINLEITUNG

Um unsere Gedanken auszudrücken und anderen mitzuteilen, bedienen wir uns der
Sprache. Diese hat sich wohl aus ganz primitiven Lauten, die die Menschen für Gegen-
stände, Begriffe usw. erfanden, um sich untereinander verständlich zu machen, zu der Höhe
entwickelt, die sie heute hat und die es uns ermöglicht, die kompliziertesten Gedanken Entwicklung

, .. , der Schrift

auszudrucken.

Ähnlich ist es mit der Schrift gewesen. Im Anfang benutjte man ganz primitive Zeichen,
die mit Knochen oder härteren Steinen in Ton, Holz oder weiche Steine geritjt oder gehauen
wurden.

Ein solches Zeichen war kein einzelner Buchstabe, sondern es schloß einen Begriff in sich.

Die Babylonier benutzen eine Keil-, die Ägypter eine Bilderschrift.

Die Chinesen und Japaner bedienen sich noch heute einer Schrift, die kein ausgesprochenes
Alphabet hat, das durch Aneinanderreihen verschiedener Buchstaben Wortbildungen ermög-
licht. In der Schrift der Chinesen bildet vielfach ein Zeichen ein ganzes Wort, einen Begriff,
ist also auch eine Art Bildschrift.

Wir sind gewöhnt, unsere Schrift von links nach rechts zu schreiben und ebenso zu lesen.

Die Chinesen und Japaner schreiben sie senkrecht, von oben nach unten.

Die Schrift hat sich bei diesen Völkern wahrscheinlich aus dem Strick oder dem Faden
entwickelt, in welchen Knoten geknüpft wurden, die bestimmte Bedeutung hatten.

Sollte etwa die Gewohnheit des zerstreuten Professors, der sich einen Knoten in das
Taschentuch knüpfte, eine alte Erinnerung hieran sein?

Da die Schrift im Anfang nur in weiche Steine, Ton, Palmenblätter, Rinde oder Holz
gehauen oder geriet wurde, so wählte man für die Form der Buchstaben sachgemäß möglichst
gerade Linien. Durch die Stellung dieser Geraden zueinander und durch Beifügung runder
Linien entstanden allmählich unsere Buchstaben, wie wir sie kennen.

Wir benutzen heute zum Schreiben die Stahlfeder, die sich aus der mit der Hand ge-
schnittenen Vogelkielfeder entwickelt hat. Die Chinesen und Japaner dagegen bedienen
sich zum Schreiben eines Pinsels, der innerhalb der Haare eine feste Einlage hat. Sie fassen
den Pinsel nicht wie wir an, sondern nehmen ihn in die Faust. Die Steillage des Pinsels
verhindert das Zudickwerden des Striches. Ihre Schrift ist eine ausgesprochene Pinselschrift.

Wir bedienen uns zum Schriftschreiben der Stahlfeder und der verschiedensten Instru-
mente, je nachdem, welche Art Schrift wir schreiben wollen; für manche Schriften aber auch
des Pinsels.

Im nachfolgenden will ich Ihnen einen kurzen Abriß über die Schrift geben, wie sie nach
wissenschaftlicher Erforschung entstanden sein kann.

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