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DAS INSERAT

PRAKTISCHER EXKURS MIT PRAKTISCHEM EXERZITIUM

Unter diesen Bezeiehnungen sind jene Vorbereitungen und Vorübungen zu verstehen,
durch die das für die Einzelgebiete erforderliche Können erworben werden soll. Man
kann sieh nämlich nicht unvorbereitet hinsetjen und ein Inserat „entwerfen“ wollen. Ein
so gefaßter kühner Entschluß wäre zu einem Fiasko verurteilt, liegen dem Unternehmen
nicht Erfahrungen zugrunde, die durch planmäßig erarbeitetes Können erreicht worden sind.

Kunst kommt von Können, die praktische Kunst, die an Bedingungen technischer und
reproduktiver Art gebunden ist, verlangt aber auch ein Wissen. Sind auch die Arbeitsmittel
des Graphikers beschränkt, so gestatten sie ihm doch eine fast unbegrenzte Freiheit. Frei-
heit in der Kunst ist nicht schrankenlose Willkür, sondern diese Freiheit ergibt sich nur
aus der Anpassung an die Gesetje der Form und Technik. Aber Form und Technik allein
sind nicht ausreichend, um Werke der Zweckkunst zu gestalten. Wie das Bild, das keinem
Zweck zu dienen hat, einen Inhalt verlangt, der als „Motiv“ bezeichnet wird, so verlangen
die Arbeiten der Gebrauchskunst eine Idee.

Die Idee nun ist der rettende Einfall, um den sich die Hoffnungen so vieler ranken, der
vielen, die zum Wettlauf um den Erfolg starten. Ideen allein dürften hier kaum zum Ziele
führen, denn mit der Idee allein ist es in diesem Falle nicht getan, und Ideen, die nicht
dem besonderen Zweck gerecht werden und sich durch ihre Ausführbarkeit nicht über das
Phantom oder die Phantasmagorie erheben, sind Blumen ohne Stiel vergleichbar, man kann
sie weder fassen noch halten und weiß auch sonst nichts mit ihnen anzufangen. Dieser
Vergleich, der Ideen mit Blumen in Parallele bringt, möge Ihnen beweisen, wie hoch ich
die Idee als solche einschätje, aber ich möchte jeden warnen, sie als das allein Ausschlag-
gebende zu werten und alles andere darüber für nebensächlich, sich als von selbst ergebend
zu erachten. In der Wirklichkeit, dem strengen Reich der Praxis, werden — um bei dem
Vergleich zu bleiben — Blumen nur geschäht, wenn sie Krönung eines sonst vollkommenen
Wuchses sind.

Ideen müssen, wenn man etwas mit ihnen anfangen und erreichen will, einen realen In-
halt haben, aus dem Reich der bloßen Vorstellung muß sich die Idee in die Welt der Erschei-
nung hineinentwickeln, sie muß Form annehmen. Wie eine Erfindung erst dann gewertet
werden kann, wenn sie als Zeichnung vorliegt, für jeden Fachmann ablesbar und verständ-
lich, so verhält es sich auch mit der Idee: nicht aus der Beschreibung, aus der Gestaltung
muß sie zu erkennen sein. Gute Ideen in schlechter künstlerischer Umschreibung aber sind
Bastarde und gereichen ihrem Erzeuger nicht zur Ehre. Darum verlangen gerade gute
Ideen nach guter Ausführung, und darum ist eine Idee erst dann vollkommen, wenn sie eine
ihr entsprechende Ausführung erfahren hat. Die Idee ist der Theorie vergleichbar, die
auch dann erst Wert erhält und ihre Bedeutung erweist, wenn sie sich in der Praxis realisiert.

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