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ÜBUNGEN UND AUFGABEN

In den vorhergehenden 7 Heften dieses Bandes habe ich Ihnen eine große Zahl Arbeiten
der besten auf den betreffenden Einzelgebieten tätigen Künstler gezeigt.

Es sollte mich freuen, wenn Sie durch diese Werke dazu angeregt werden, nun auch seihst
solche guten Arbeiten zu schaffen.

Dazu möchte ich vorausschicken: In unserer schönen deutschen Sprache haben wir viele
sinnreiche Sprichwörter. Nicht alle sind wörtlich, sondern nur dem Sinn nach zu verstehen
und können oft mißverstanden werden. Für unseren Fall gibt es zwei, die wohl kaum miß-
verstanden werden können.

1. Kein Meister fällt vom Himmel.

2. Erst die Übung macht den Meister.

Das erste sagt, daß man etwas lernen muß, um Meister zu werden, und das zweite, daß
man das Erlernte erst durch unausgesetzte Übung mit Meisterschaft verarbeiten kann.

Wie ich Ihnen schon bei fast sämtlichen Teilen dieses Bandes empfahl, stets den Bleistift
und das Skizzenbuch zur Hand zu haben, alles eingehend zu beobachten, zu notieren und zu
zeichnen, so tue ich es an dieser Schlußstelle noch einmal ganz eindringlich.

Einem so großen Meister der Zeichenkunst wie Adolph Menzel war nichts zu gering,
um es zu zeichnen und eingehend zu beobachten. So darf auch für Sie als angehenden
Künstler, wir sagen wohl besser „Meister“, denn dies Wort sagt mehr, nichts zu uninter-
essant sein, um es genau zu studieren. Was es auch immer sei, ob eine Fliege, die sich auf
Ihr Zeichenbrett setjt, oder eine Mücke, die sich auf Ihre Hand niederläßt, um sich von
Ihrem Blut zu nähren, alles muß beobachtet werden. Diese beiden unscheinbaren Insekten
sind nämlich ganz interessant gestaltete Tierlein.

Die Fliege zu beobachten ist außerdem höchst amüsant. Erstens die ganze Gestaltung
derselben, dann wie die Augen im Kopfe, die Flügel und die schlanken Beinchen am Leib
sitjen. Zweitens ihr Gehaben, wie sie mit den Beinchen die Flügel und die Beinchen selbst
put}t, das eine mit dem anderen. Ähnlich ist es mit der Mücke. Diese se^t sich auf Ihre
Hand, und wenn Sie sie nicht verscheuchen, so wiril sie alsbald ihren Rüssel in Ihr Fleisch
bohren und sich an Ihrem Blute ganz prall vollsaugen, so daß sie wie eine rote Beere aus-
sieht. Vollgesogen erhebt sie sich und fliegt schwerfällig, übersättigt davon. Auch dieses
Insekt ist sehr reizvoll, ich möchte sogar sagen schön gestaltet.

Ich führe nur diese sonst nicht für beachtenswert gehaltenen kleinen Insekten an dieser
Stelle an, um Sie auf das Alltäglichste in der Natur aufmerksam zu machen und Ihr Interesse
dafür zu wecken.

Die für solche Beobachtung und Skizzierung aufgewendete Zeit ist keineswegs eine Zeit-
verschwendung, wenn Sie auch nichts anderes davon profitieren, als daß Sie Ihr Auge und
Ihre Hand üben und Ehrfurcht vor der Natur bekommen. Einmal im Leben wird sich schon
Gelegenheit bieten, wo Sie eine solche Studie oder Teile aus derselben anwenden können.
Mit der Fliege und der Mücke habe ich Ihnen nur sagen wollen, daß Sie selbst die

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