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lung. Diese Tafel sieht so aus, als könnte (las jeder Anfänger schreiben, aber versuchen Sie
es einmal, und Sie werden sehen, daß dies ein sehr großer Irrtum ist. Es ist sehr schwer, ein
Blatt in dieser Vollendung zu schreiben.

Weiter führe ich Ihnen in einigen Abbildungen Arbeiten der bekannten Schreihmeister
der Gegenwart Prof. E. R. Weiß und H. Th. Hoyer vor.

Bei den meisten Ihnen hier gezeigten Arbeiten sehen Sie, daß nicht der Wert auf schön,
sondern auf Charakter gelegt ist, und das ist die Hauptsache.

Die Abbildungen zu 337—343 wurden mir von Herrn Professor Frenzei, dem Heraus-
geber der Gebrauchsgraphik, in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.

In den jetjt folgenden Abbildungen gebe ich Ihnen einige Schriftanwendungen, wie Sie
diese Arten ja auch täglich in unseren Tageszeitungen sehen können, wieder. Es ist natürlich
nicht möglich, Ihnen alle guten Schrifttypen dieser Art zu zeigen, und so greife ich nur einige
heraus. Diese Schriftarten sind fast alle auf den Wunsch und den Gedanken, aufzufallen,
eingestellt und gestaltet.

Um die Schreibkunst ganz zu beherrschen und darin Meister zu werden, bedarf es, wie
ich schon sagte, sehr großer Übung und eines unausgesetjten Fleißes.

Wenn es Ihnen auch zuerst nicht gleich glücken will: Nie den Mut verlieren, immer von
neuem beginnen. Endlich werden Sie doch alle Schwierigkeiten, die sich Ihnen entgegen-
stellen, überwunden haben, und Sie können sich stolz als Meister fühlen und Werke schaffen,
wie ich Ihnen solche von Koch gezeigt habe.

Darum frisch heran an die Arbeit, die besten Vorbilder stehen Ihnen zur Verfügung,
und das Handwerkszeug ist ebenso in bester Ausführung überall erhältlich.

DIE SCHRIFT

PRAKTISCHER EXKURS UND PRAKTISCHES EXERZITIUM

Die Schrift wurde früher für konstruierbar gehalten. Man versuchte sie in ein starres
Berechnungssystem zu zwingen, von mathematischen Berechnungen ausgehend. Albreclit
Dürer schon unternahm den Versuch, solche Berechnungen vorzunehmen, und viele andere,
weit kleinere Geister und weit kleinere Könner sind ihm darin gefolgt.

Schrift konstruieren heißt aber die künstlerische Form und den künstlerischen Zug der
Schrift töten. Man kann wohl einzelne Buchstaben konstruieren, aber schon bei der Zu-
sammenfügung der Buchstaben zu einem Wort, geschweige denn zu einer Zeile, zu einem
Schriftblock oder zu einer Schriftseite würde man mit solcher Wissenschaft nicht viel anzu-
fangen wissen. Wenn man von Schrift in künstlerischem Sinne spricht, darf man daher
nicht nur an Buchstaben denken, sondern muß einen Text, mag er nun aus wenigen oder
vielen Wörtern, Zeilen, Abschnitten oder Seiten bestehen, im Auge haben.

Jede Schrift steht zwischen unsichtbaren Liniaturen, und zwar begrenzt die obere Linie
die großen Buchstaben, also die Majuskeln oder Versalien, sowie die Oberlängen von b, h,
k, 1, t usw., die zweite und dritte Linie die Minuskeln, also die kleinen Buchstaben oder
Gemeinen, oben und unten, die vierte Linie die Unterlängen, wie wir sie bei g, p, rj finden,
und die fünfte Linie bildet den Abstand der Endungen der Unterlängen zum Anfang der
Versalien und Oberlängen der nächsten Zeile. Die fünfte Linie fällt also mit der ersten
Linie der nächsten Zeile zusammen. Dieses Linienschema, welches natürlich nur für aus

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