Nr. 26. HEIDELBERGER 1849.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
laniarMiie: Les Coiifidenees ihm! Eapliael,
(Schluss.)
Der Gast schiffte nach Procida. Er wusste, dass eine Freundin von
Graziella dort verweile, die, obgleich Nonne geworden, noch fortan bei
ihren Eltern wohne. Vielleicht, dachte er, hat sie bei dieser Freundin
Rath gesucht. Er pochte (schon war es Nacht) an der Thür der Hütte
von Graziella’s Grosseltern, aus der ihm ein Licht entgegenflimmerte. Wirk-
lich hatte sie sich dort eingeschlossen. Er fand sie in Fieberschauern.
Am Abend zuvor hatte sie an der Klosterpforte angeklopft. Allein sie
öffnete sich nicht. Darauf hatte sie der Freundin durch ein Kind sagen
lassen, sie am andern Morgen abzuholen, und zur Bewährung ihres festen
Entschlusses, sich ganz Gott zu weihen, hatte sie sich selbst ihre langen
schönen Haare abgeschnitten. Sie wies sie dem besuchenden Freunde
vor. Beide ergossen sich nun in Liebesbetheuerungen. Doch bekennt
der Verfasser, seine Liebe sei wie Eis gewesen im Vergleich derjenigen
des Mädchens. (Sie war mithin die Getäuschte!) Als es tagte, er-
schien die ganze Fischerfamilie vor der Hütte zu Procida. Auch die Freun-
din erschien. Sie hatte, nachdem sie die Botschaft erhalten, noch in
der Nacht die Fischerfamilie beschickt, um sie von dem, was vorgehe,
in Kenntniss zu setzen. Das Wiedersehen war ein herzbrechender Auf-
tritt. Doch kehrten jetzt alle beruhigt in die Wohnung an der Margel-
lina zurück. Die folgenden Monde verflossen still und heiter, nur zu-
weilen durch Graziella’s Ahnung von der Wegreise des Geliebten getrübt.
Die Ahnung wurde bald zur Wirklichkeit. Lamartine’s Jugendfreund Vi-
rieu kam ihn abzuholen, und ein Brief der Mutter drang ungestüm auf
schleunige Rückkehr. Mit Zurücklassung eines feurig zärtlichen Briefs an
Graziella mit der Betheurung, spätestens in vier Monaten wiederzukehren,
um nimmer von ihr zu scheiden, wollte er das Haus verlassen, als noch
alle schliefen. Doch da trat die Unglückliche, durch das Geräusch ge-
weckt, aus ihrer Kammer, und den Scheidenden erblickend sank sie in
Ohnmacht. Die Freunde brachten sie wieder zu sich. Aber der Abschied
war jetzt um so herzzerreissender. Damit schloss sich der Roman. Der
LXII, Jahrg. 3. Doppelheft. 36
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
laniarMiie: Les Coiifidenees ihm! Eapliael,
(Schluss.)
Der Gast schiffte nach Procida. Er wusste, dass eine Freundin von
Graziella dort verweile, die, obgleich Nonne geworden, noch fortan bei
ihren Eltern wohne. Vielleicht, dachte er, hat sie bei dieser Freundin
Rath gesucht. Er pochte (schon war es Nacht) an der Thür der Hütte
von Graziella’s Grosseltern, aus der ihm ein Licht entgegenflimmerte. Wirk-
lich hatte sie sich dort eingeschlossen. Er fand sie in Fieberschauern.
Am Abend zuvor hatte sie an der Klosterpforte angeklopft. Allein sie
öffnete sich nicht. Darauf hatte sie der Freundin durch ein Kind sagen
lassen, sie am andern Morgen abzuholen, und zur Bewährung ihres festen
Entschlusses, sich ganz Gott zu weihen, hatte sie sich selbst ihre langen
schönen Haare abgeschnitten. Sie wies sie dem besuchenden Freunde
vor. Beide ergossen sich nun in Liebesbetheuerungen. Doch bekennt
der Verfasser, seine Liebe sei wie Eis gewesen im Vergleich derjenigen
des Mädchens. (Sie war mithin die Getäuschte!) Als es tagte, er-
schien die ganze Fischerfamilie vor der Hütte zu Procida. Auch die Freun-
din erschien. Sie hatte, nachdem sie die Botschaft erhalten, noch in
der Nacht die Fischerfamilie beschickt, um sie von dem, was vorgehe,
in Kenntniss zu setzen. Das Wiedersehen war ein herzbrechender Auf-
tritt. Doch kehrten jetzt alle beruhigt in die Wohnung an der Margel-
lina zurück. Die folgenden Monde verflossen still und heiter, nur zu-
weilen durch Graziella’s Ahnung von der Wegreise des Geliebten getrübt.
Die Ahnung wurde bald zur Wirklichkeit. Lamartine’s Jugendfreund Vi-
rieu kam ihn abzuholen, und ein Brief der Mutter drang ungestüm auf
schleunige Rückkehr. Mit Zurücklassung eines feurig zärtlichen Briefs an
Graziella mit der Betheurung, spätestens in vier Monaten wiederzukehren,
um nimmer von ihr zu scheiden, wollte er das Haus verlassen, als noch
alle schliefen. Doch da trat die Unglückliche, durch das Geräusch ge-
weckt, aus ihrer Kammer, und den Scheidenden erblickend sank sie in
Ohnmacht. Die Freunde brachten sie wieder zu sich. Aber der Abschied
war jetzt um so herzzerreissender. Damit schloss sich der Roman. Der
LXII, Jahrg. 3. Doppelheft. 36