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Nr. 12.

HEIDELBERGER

1849.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Hoffmeister s Hriefe ans Indien«
(Schluss.)
Zwölfter Brief. Es begreift derselbe die Wanderung von Namdjä
bis Simlah. Endlich hatte der Prinz, wie bereits erwähnt worden, die
Vergünstigung erlangt, die Grenzen Tübets zu überschreiten und, wenn
auch nicht an der Stelle, welche zuerst ausgewählt war, dennoch an
einem höchst interessanten Punkte ins chinesische Gebiet einzudringen.
Vier stämmige Yackochsen standen bereit, die Reisenden auf ihrem wol-
ligen Rücken aufsitzen zu lassen, die Lastschafe waren gesattelt und be-
packt, und eine fröhliche Schaar rothbehosTer Frauen und Mädchen tum-
melte sich unter unaufhörlichem Gelächter und Gesang mit dem übrigen
Gepäck umher; die Männer tragen nämlich an der Grenze in Tiibet nur
gezwungen, so wie sie den Weibern auch die Last des Ackerbaues und
der häuslichen Geschäfte überlassen. Am 6. August setzte sich die Ka-
rawane in Bewegung. Der Weg wurde bald so steil, dass die Reiter
von ihren breitfüssigen Ochsen absteigen mussten; schauerlich, Staunen
erregend war der Anblick der steilen Schieferfelsen , zwischen denen der
tobende tübetische Strom seine dunkeln Wellen hinwälzt. So weit das
Auge reicht, kein Strauch, kein grünes Kraut, und über dem Nebel, in
schwindelnder Höhe, die Spitzen und Zacken der Berge mit ewigem
Schnee gekrönt. Man stieg nun höher und höher, der Schneeregion und
dem Passe zu, welcher die Grenze des „ himmlischen “ Reiches bildet.
An die Stelle des Thonschiefers trat Granit, und ein grosser Block des
Gesteines gewährte den ersten freien Blick iu die tübetische Ebene, auf
eine unabsehbare Folge von Gebirgszügen, die weiteren immer niedriger,
bis zuletzt ein ferner Horizont der unendlichen Hügelreihe sich anschloss,
der Hochebene des Landes. Ein sanft absteigender Pfad führte dem Rast-
platze, dem Dorfe Schipki zu. Obgleich es Mandat des Kaisers ist, „bei
Strafe des Bauch-Aufschneidens“ Fremden keine Lebensmittel verabfolgen
zu lassen, brachte man dennoch den Reisenden Milch und Aprikosen, so
viel sie verlangten, und Männer, Weiber und Kinder kamen hervor, um
die fremden Gestalten zu besehen und zu belachen. Den folgenden Tag
XLII. Jahrg. 2. Doppelheft. 13
 
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