Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
164

Die Urkunden Frankreichs.

vindicirt wurden. Sonst folgte der freie Mann der Condition seiner
Frau, und eben so die Kinder. — Die Besteuerung war zum gröss-
ten Druck des Vollkes ganz willkürlich Qailler ä volonte); die Zahl
der Abgaben unermesslich. Nur allmählig bildeten sich, durch Her-
kommen oder Vertrag, regelmässige und fixirte Gefälle und Abgaben.
4) Trotz alles Druckes wuchs doch die Bevölkerung, wie wir
aus dem fortwährenden Umbrechen der Wälder, mit denen Paris
noch umgeben war, entnehmen. Die Kirche gab Öfter grosse Strecken
zur Urbarmachung her, wo sich Dörfer bildeten. Den Anbauern
wurden Zinse und Abgaben neben den Zehnten aufgelegt; auch
wurden wohl urbar gemachte Ländereien getheilt. Vermehrte Be-
völkerung hatte Einfluss auf Handel und Wandel, Gewerbe und Werth
der Dinge. Verf. gibt uns interessante Zusammenstellungen über
den Werth der Münzen und des Geldes, über den Preis der Häuser
und Ländereien, so wie anderer Dinge des Bedürfnisses und des
Handels. Die Weinberge waren dreimal so theuer als das Acker-
land. „Le prix moyen de l’arpent de terre labourable etait d’en-
viron 5 livres. Prix d’un boeuf en viande 1 livre 10 sous.“ Wir
ermessen nach diesen Preisen auch die Kostbarkeit der Bücher,
da gegen die Milte des 13. Jahrhunderts eine Bibel in 2 Bänden
200 livres tournois kostete.
Ich habe nun diese Urkunden, deren Zahl sich auf zwei Tausend
und einige Hundert beläuft, selbst perlustrirt, und mir Manches, was
für Geschichte und Alterthümer, für Rechte, Gewohnheiten und sitt-
liche Zustände im Mittelalter ein allgemeineres Interesse bot, be-
merkt, habe, dann diese Auszüge geordnet und theile sie mit mei-
nen Bemerkungen den deutschen Geschichtsforschern mit, da das Werk
selbst sich doch in wenigen Händen befindet und nicht in den Buch-
handel gekommen ist.
§. 1. Die Urkunden sind aus dem 11. und 12., zumeist aber
aus dem 13. und 14. Jahrhundert; mehrere noch jünger. Sie sind,
mit wenigen Ausnahmen solcher, die in allfranzösischer Sprache
abgefasst wurden, in jenem mittelalterlichen, barbarischen Latein
geschrieben, bei welchem man gar oft das verdienstliche Werk von
Du Cange zu Hülfe nehmen muss. Der Totaleindruck, den die Lec-
türe derselben hervorbringt, ist ein betrübender; sie zeigen kein
erfreuliches Bild der damaligen Zustände. Die glänzenden Zeiten
der Kirche waren vorüber. Die Abhängigkeit vom Papst trübte das
Verhältniss zum Staat. Die Bildung war gering, der grösste Theil
des Clerus völlig unwissend; die Sitten verwilderten bei Geistlichen
und Laien. Sinnliche Triebe, Habgier, Selbstsucht, Verbrechen und
Rohheiten aller Art, Gewaltthalen und Streitigkeiten um Erwerb und
Besitz, unermesslicher Druck des in Aberglauben gefesselten Volks,
das sind die Gegenstände, denen wir nur allzuoft in diesen Urkun-
den begegnen. ·— Um die Aussenwelt bekümmerte man sich wenig;
man findet daher fast gar keine Aufzeichnungen über die damaligen
Weltereignisse, und bei den geringen Verbindungsmitteln der Länder
 
Annotationen