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Brodersen, Kai; Holm-Hadulla, Rainer Matthias [Hrsg.]; Assmann, Jan [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Kreativität — Berlin, Heidelberg [u.a.], 44.2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.4064#0035
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28

Manfred Eigen

Abb. l. Gauklergruppe von Picasso [1

Ich möchte diese Frage hier in etwas abgewandelter Form wiederholen:
„Wen kümmert es eigentlich, wer Mozart wirklich war, wie er handelte und
was er dachte. Haben wir nicht seine Musik, und ist es nicht allein diese, die
Zeugnis darüber ablegt, wer Mozart ,wirklich' war?"

Als ich vor Jahren einmal Gerald Edelman an der Rockefeller University
in New York besuchte, gab er mir das gerade fertiggestellte Manuskript sei-
ner Feodor-Lynen-Lecture, der er das Motto vorangestellt hatte: „Musicology
is to Music as Ornithology is to Birds". Beim Lesen des Manuskripts hatte
ich aber sehr bald den Eindruck, dass das Zitat - so gut es klingt - fehl am
Platze war. Immunologie - wie wir sie heute kennen - ist eben Robert Koch,
Emil von Behring, Paul Ehrlich, Karl Landsteiner, Frank Burnet, Peter Meda-
war, Gerald Edelman, Niels Jerne, Rodney Porter (und man könnte noch
weitere Namen nennen). Also nicht einmal das wissenschaftliche Werk, das
doch objektive Wahrheit dokumentieren soll, können wir unabhängig von
seinem Autor und von seinem Umfeld sehen. Um wie viel mehr gilt dies für
ein Kunstwerk.

So komme ich zurück zu der Frage: Wer war Mozart? Was für eine Per-
sönlichkeit ist es, die hinter einem Werk steht, das - in vielen Millionen von
Noten codiert und damit für die Ewigkeit konserviert - zum Klingen ge-
bracht, eine so gewaltige Resonanz in uns erzeugt? Oder - und das ist die
eigentliche Frage: Was für Eigenschaften sind es, die das Genie charakteri-
sieren?
 
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