Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brodersen, Kai; Holm-Hadulla, Rainer Matthias [Hrsg.]; Assmann, Jan [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Kreativität — Berlin, Heidelberg [u.a.], 44.2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4064#0078
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kreativität des Unternehmers 71

die jungen Berater nach vier bis fünf Jahren auf ein Einkommen von rd.
200000 DM kommen, das ist, so weisen es repräsentative Gehaltsstatistiken
aus, mehr als Geschäftsführer in mittelständischen Industrie-Unternehmen
im Durchschnitt verdienen.

Um den unternehmerischen Charakter der Berater und Angestellten noch
stärker herauszufordern, habe ich mich sehr früh entschlossen, Mitarbeiter
am Unternehmen zu beteiligen. Schon beim Börsengang 1988 bot ich 30 %
der Vorzugsaktien den Mitarbeitern an. Immerhin wurde die Aktie noch gar
nicht an der Börse gehandelt, gab es noch keinen „offiziellen" Wert, nämlich
den Preis, den ein kritisches Börsenpublikum zu zahlen bereit sein würde.

Inzwischen läuft die nächste Zeichnung. MLP plant, in einigen Jahren die
Aktien der MLP Lebensversicherung AG an die Börse zu bringen. Schon jetzt
dürfen Mitarbeiter insgesamt 20 % der Aktien in einem über mehrere Jahre
laufenden Beteiligungsplan zu Vorzugskonditionen beziehen. Vorzugskon-
ditionen heißt: Preis nach heutiger Bewertung. Wer zeichnet, zeigt, dass er
an die Wertsteigerung des Unternehmens glaubt. Die Zeichnungsquote von
fast 100 % beweist die Überzeugung der Mitarbeiter von der ungebrochenen
Wachstumskraft „ihres" Unternehmens. Noch immer also eine hohe Moti-
vation der Mitarbeiter, eine Einstellung, die eine brillante Zukunft verheißt.

Die Vorstellung, seine tiefsten produktiven Kräfte nur in Einsamkeit und
Zurückgezogenheit erfahren zu können, trägt eher dazu bei, dass kreative
Lösungen blockiert werden. Dies gilt vor allem dann, wenn es um soziale
Gebilde wie ein Wirtschaftsunternehmen geht. Denn damit sich das gegebe-
ne Kreativitätspotenzial eines Menschen entfalten kann, braucht es ein
bestimmtes Klima. So sind die bekanntesten Kreativitätstechniken im Ma-
nagement, das Brainstorming und die Konfliktlösung, grundsätzlich team-
orientierte Ansätze.

Zwar waren die vergangenen Jahrzehnte von der Verdrängung des klassi-
schen Unternehmertyps geprägt, aber im Zuge der Individualisierung und
der wirtschaftlichen Reorganisation (Outsourcing, neue Entrepreneure), ist
eine Renaissance des Unternehmertums zu erhoffen und in einigen (High-
Tech-) Branchen auch schon realisiert. Das typische Merkmal der neuen Un-
ternehmer ist dabei weniger die genialische Kreativität, als vielmehr die Bas-
telkreativität („Bricolage" nach Claude Levi-Strauss). Wie ein Bastler nimmt
man sich schon vorhandene Teile und setzt daraus etwas neues zusammen.
Diese Vorgehensweise ist insofern kreativ, als die Ressourcen meist sehr be-
schränkt sind. Der Zufall und scheinbar Nebensächliches werden dabei im-
mer wichtiger. Aus der Verlegenheit wird eine Gelegenheit.

Wir haben vor über 30 Jahren, wie oben schon ausgeführt, einen neuen
Beruf „erfunden", nämlich die Beratung der individuellen, akademisch ge-
schulten Privatperson in Versicherungs-, Absicherungs- und Vermögens-
Angelegenheiten. Das ist eine ineinander vernetzte, integrierte Beratung auf
 
Annotationen