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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0239

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Bildung als kritisches Korrektiv der Gesellschaft 227

der gesellschaftskritischen Pädagogik, wie sie in den sechziger und siebziger
Jahren formuliert wurde, beigetragen hat. Dies zu beleuchten sind ganz unter-
schiedliche, sich eher ergänzende als ausschließende Analysepfade denkbar -
der hier gewählte bezieht sich in erster Linie auf die theorieimmanenten Kon-
stitutionsprobleme einer kritischen Pädagogik und Bildungstheorie.5 Nach-
weisbar wären auch von außen auf sie einwirkende politische Blockierungen
ihrer Intentionen; dieser Aspekt soll hier allenfalls am Rande beschäftigen.6

Über eine bis anderthalb Dekaden hinweg richten Teile der Pädagogik in
den sechziger und siebziger Jahren den Anspruch an sich selbst, „als Praxis wie
als Theorie in der heranwachsenden Generation das Potenzial gesellschaftli-
cher Veränderung hervorzubringen." 7 Ihre eigentliche Beachtung findet diese
Aussage, als der ursprünglich 1964 publizierte Aufsatz von Mollenhauer, dem
sie entstammt, wiederabgedruckt wird in seinem 1968 erscheinenden Buch
„Erziehung und Emanzipation"8, ein Titel, der programmatisch die Hoffnung
umreißt, gesellschaftstheoretische Forderungen könnten sich über Erziehung
in die Praxis umsetzen lassen. „Die politische Stimmung der 60er Jahre hat
die Forderung nach Emanzipation buchstäblich getragen", resümiert Meyer-
Drawe. „Als diese Stimmung verblasste, blieben Worthülsen zurück, die dar-
auf verwiesen, dass leitende Programme ihre Selbstverständlichkeit eingebüßt
hatten." 9

Dass der eingangs zitierte Satz bereits 1964 formuliert wird, überrascht auf
den ersten Blick, denn er fällt in eine gesellschaftliche Phase höchst erfolg-
reicher gesellschaftlicher Konsolidierung, ökonomischer Sicherheit und tech-
nischen Fortschritts. Sie ist jedoch auch die Konsolidierung des Kalten Krie-
ges; der Friede basiert auf der Perfektionierung der Hochrüstung. Gleichzeitig
bröckelt es an den „Rändern": Die Armuts-Problematik verschärft sich in der
Dritten Welt, politische Krisensymptome häufen sich in Gestalt zunehmender
Überwachung10 und erste Anzeichen einer ökologischen Problematik werden
sichtbar. 1963 geht die Adenauer-Ära zu Ende, Kennedy wird ermordet, 1964
Kommt es zu den ersten Studentenunruhen in Berkeley. Bis zu diesen Sit-ins
war Aufbruch und Veränderung ein fast ausschließlich von den Avantgarde-
Bewegungen der modernen Kunst besetztes Thema.

Dabei wird hier nicht eingegangen auf die Abgrenzungsprobleme unterschiedlicher Schulen

kritischer Pädagogik - vor allem zwischen der in der Tradition der geisteswissenschaftlichen

Pädagogik stehenden Kritischen Erziehungswissenschaft und der Impulse der Frankfurter

Schule aufnehmenden kritischen Theorie der Erziehung (vgl. dazu Keckeisen 1984).

Vgl. dazu Boenicke/Gerstner/Tschira 2004.

Mollenhauer 1964b, 66f.

Zur Rezeptionsgeschichte vgl. Tenorth 2000.

Meyer-Drawe 2000,43t

Allein im Jahre 1963 kommt es zur „Spiegel-Affäre", zur Entlassung des Leiters der kritischen

Fernsehsendung „Panorama" und zur Telefonüberwachung der „ZEIT".
 
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