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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0403

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Universität im Umbau 391

schichte, begründet in der Konkurrenz von Wissenschaftssystemen, die wech-
selseitiges Lernen einschloss, nicht jedoch auf institutionelle Angleichung ziel-
te. Die moderne Forschungsuniversität ging aus Wettbewerb hervor, ohne Ent-
wicklungsplan mit dem Ziel einer Homogenisierung der Universitäten in Eu-
ropa zur europäischen Universität. Wettbewerb lautet auch die heutige Zau-
berformel. Gemeint ist aber etwas gänzlich anderes als bisher. Aus dem Leis-
tungswettbewerb auf der Grundlage unterschiedlicher Universitätsstrukturen
in Europa wird künftig ein Wettbewerb im einheitlichen Gehäuse einer euro-
päischen Universität; so jedenfalls die Planung.

Ein Einheitsgehäuse als Voraussetzung für die Selbstbehauptung der eu-
ropäischen Universität der Zukunft auf dem globalen Wissenschaftsmarkt und
für die Konkurrenz der Universitäten untereinander um Spitzenplätze im na-
tionalen und internationalen Wettbewerb - dieses Modell, das Konkurrenz auf
der Grundlage von Homogenität erzeugen will, setzt auf ein Maß der Steuerung
von Forschung und Lehre, die dem Universitätsmodell, das nun auszulaufen
scheint, fremd war. Das führt zum zweiten Aspekt: Steuerungsmechanismen.

II

Die Universität des 19. Jahrhunderts kannte keine Gesamtplanung. Der enor-
me Ausbau, der ständige Zuwachs an Fächern verlief anders. Er folgte der
Wissenschaftsentwicklung und dem Anstieg der Studentenzahlen sowie exter-
nen Anstößen, neue fachliche Bereiche in den Universitäten zusätzlich zu den
bestehenden einzurichten, also wissenschaftsinternen und gesellschaftlichen
Anreizen. Beides ließ sich nicht planen. Zumindest besaßen die damaligen
Staaten dafür kein Instrumentarium, und sie zielten auch nicht darauf. Zum
Wettbewerb zwischen den Staaten gehörte ein leistungsfähiges, expandieren-
des Wissenschaftssystem. Daran erkannte man die Modernität eines Staates.
Deshalb war er bereit zu investieren. Welche neuen Wisserischaftsbereiche ent-
standen, entzog sich hingegen jeder längerfristigen Planung, denn hier domi-
nierte der internationale Forschungsmarkt. In ihn griff der Staat auch dort, wo
die Universität eine staatliche Einrichtung war, erst spät ein. Er honorierte, was
sich zuvor in der Forschung herausgeformt und durchgesetzt hatte, indem er
dafür neue Professuren und zunehmend auch Institute einrichtete. Deutsch-
lands Universitäten, ihr enormes Wachstum und ihr Aufstieg zur Weltgeltung
im 19. Jahrhundert bieten dafür ein gutes Anschauungsbeispiel. Wolf Singer hat
den institutionellen Aufbau der Hirnforschung in der Max-Planck-Gesellschaft
in der gleichen Weise beschrieben.3

Die deutschen Staaten steuerten die mächtige Expansion ihrer Universitä-
ten im 19. Jahrhundert inhaltlich nicht und finanzierten sie auch nur zu einem
Teil. Der Kern dieser erstaunlichen Flexibilität war der Privatdozent. Zur For-

3 Singer 2002.
 
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