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Felder, Ekkehard [Hrsg.]; Bär, Jochen A. [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Sprache — Berlin, Heidelberg, 53.2009

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Felder, Ekkehard: Vorwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.11275#0008
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Vorwort

Leben wir in einer Zeit der Sprachvergessenheit? Die Unhintergehbarkeit
menschlicher Erkenntnis ist seit Kant ein Topos und findet bei Humboldt eine
Zuspitzung auf die Sprache als das Medium der Erkenntnis. Auch heute noch
wird Sprache offensichtlich fur so wichtig erachtet, dass sie Anlass zahlreicher
Umfragen in den Medien, Grundlage vielfaltiger Kompetenzuberpriifungen in
den Schulen und mitunter Zankapfel politischer Auseinandersetzungen ist. All
dies scheint keineswegs auf eine sprachvergessene Zeit zu deuten.

Andererseits wird gerade in unserer Zeit den Dingen Vorrang vor den Wor-
ten eingeraumt (cf. Redewendungen wie Worte sind wie Schall und Rauch; nicht
reden, sondern handeln),der sprachlichen Betrachtung wird allenfalls Evidenz-
charakter zugesprochen. Die Dinge sind wie sie sind. Es zahlen die Fakten.
Sprache ist nur das Wie des Gesagten, im Kern geht es aber um das Was.

Was wie ein Widerspruch erscheint, entpuppt sich als ein gespaltenes Ver-
haltnis vieler Zeitgenossen zur Sprache und kann paradoxerweise durchaus
nebeneinander existieren. Wenn eine Sprachbetrachtung niitzlich sein kann,
so wird sie gerne vorgenommen. Mitunter wird sogar in Auseinandersetzun-
gen iiber die Problematisierung der sprachlichen Ausdrucksweise der MaEstab
fur die Losung strittiger Fragen gesucht: Der inhaltliche Streit soil dann iiber
die Feststellung des „richtigen" sprachlichen Zugriffs entschieden werden. Das
iiberfordert selbstredend die Sprache, deren Verwendungsweisen wie die mit
ihr thematisierten Inhalte immer wieder neu ausgehandelt werden miissen.

Vor dem Hintergrund des so skizzierten Befundes will dieser Band an ein-
schlagigen Themen der Sprachwissenschaft darlegen, wie sich die Entwicklung
und Variationsbreite von Sprache beschreiben lasst, was dies iiber die Sprecher
und ihr zeitspezifisches Denken und Wissen aussagt und wie sich die Komple-
xitat der sprachlichen Gebrauchsformen linguistisch erfassen lasst. In diesem
Band stellen Sprachwissenschaftler die Bandbreite linguistischer Forschungen
fur an Sprache Interessierte vor und verdeutlichen damit die anthropologische
und gesellschaftspolitische Relevanz der Sprache.

Besonderer Dank gilt Jana Tereick M.A. fur die gewissenhafte Lektiire sowie
das Redigieren aller Beitrage. Das Buch widme ich meinem fiinfjahrigen Sohn
Caleb, der im Urlaub in Norddeutschland feststellt: „Hier sagen die Leute ne,
gell Mama?"

Heidelberg, im Januar 2009

Ekkehard Felder
 
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