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Felder, Ekkehard [Hrsg.]; Bär, Jochen A. [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Sprache — Berlin, Heidelberg, 53.2009

DOI Artikel:
Müller, Marcus: Zur Ikonisierung komplexer Sprachzeichen in der Medienwelt - das Beispiel Infografik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11275#0330
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Zur Ikonisierung komplexer Sprachzeichen
in der Medienwelt - das Beispiel Infografik

MARCUS MULLER

o. Einleitung

Dieser Beitrag widmet sich dem Phanomen der Ikonisierung komplexer
Sprachzeichen in massenmedialen Texten: Jedes Schulkind lernt, dass (Schrift-)
Sprache aus Wortern besteht, welche grammatisch zu Satzen kombiniert sind,
die wiederum zu Texten verkniipft werden. Im Zuge des Vordringens der
Bildlichkeit in die massenmediale Kommunikation wird diese Beschreibung
fur viele Textsorten zunehmend problematisch: In Comics, Werbeanzeigen,
Karikaturen, Infografiken und vielen wissenschaftlichen Bild-Texten, um nur
die wichtigsten einschlagigen Gebrauchstextsorten zu nennen, sind einzelne
Sprachzeichen zu komplexen Sprachzeichen nicht oder nicht nur nach Regeln
verkniipft, welche man gewohnt ist, als grammatische Regeln zu bezeichnen
- vielmehr funktioniert die Sinnzuschreibung an solche komplexen Zeichen
zumindest audi im Rekurs auf Konventionen, die sich im Bereich des Umgangs
mit Bildern ausgepragt haben. Das soli im Folgenden am Beispiel der Infografik
gezeigt werden. Zur Beschreibung der zur Rede stehenden Verkniipfungsregeln
greife ich erstens auf den Terminus ,Kontextualisierung' (Gumperz 1982) und
zweitens auf semiotische Grundannahmen nach Charles Sanders Peirce (i960)
zuriick.

1. Die Bildlichkeit der Schrift als Kontextualisierungshinweis

Schon minderkomplexe schriftsprachliche Zeichen, die ganz ohne Bilder aus-
kommen, sind oft genug nicht einfach mit sprachlichem Regelwissen im enge-
ren Sinne zu deuten, wie sich an folgendem Beispiel zeigen lasst:

Sowjet-Union:Eine Glocke, die nie lautet (DER SPIEGEL 29/1980)

Es handelt sich hier ganz offensichtlich nicht um einen „vollstandigen" bzw.
„grammatischen" Satz im schulgrammatischen Sinne, auch nicht um zwei Sat-
ze. GroEere Schwierigkeiten bei der erstens grammatischen und zweitens funk-
tionalen Interpretation der Beispiele haben wir nur deshalb nicht, weil durch
 
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