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Felder, Ekkehard [Hrsg.]; Bär, Jochen A. [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Sprache — Berlin, Heidelberg, 53.2009

DOI Artikel:
Konerding, Klaus-Peter: Diskurslinguistik - eine neue linguistische Teildisziplin
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https://doi.org/10.11588/diglit.11275#0168
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Diskurslinguistik - eine neue linguistische Teildisziplin

KLAUS-PETER KONERDING

i. Kommunikation, Faktizitat und „Diskurs"

Seit einigen Jahrzehnten wird in der gesellschaftlichen Offentlichkeit vermehrt
von „Diskursen" gesprochen. Dies trifft auch auf sozial- und geisteswissen-
schaftliche Forschungsbeitrage zu, die dort zu verzeichnenden Gebrauchsfor-
men stehen dabei mit den popular-offentlichen Gebrauchsvarianten dieses
Ausdrucks in einer gewissen Korrespondenz. Der Ausdruck wird in der weite-
ren Offentlichkeit eher unspezifisch gebraucht, in den einschlagigen Wissen-
schaftsbereichen hingegen geschieht dies mit Bezug auf wichtige Traditionen
der zugehorigen Theoriebildung. Was bezeichnet aber dieser zunehmend Rele-
vanz gewinnende Ausdruck nun eigentlich? Ganz allgemein und einer weiter-
gehenden Spezifikation an dieser Stelle vorgreifend, im Sinne eines noch sehr
abstrakten gemeinsamen Nenners der variierenden Gebrauchsweisen und da-
mit zunachst noch mehr oder weniger vage: Mit Diskurs werden in der Regel
offentlich gefiihrte und von verschiedenen Medien getragene Debatten von
grofterem Umfang und langerer Dauer bezeichnet, die sich einschlagigen The-
menbereichen und Problemstellungen von gesellschaftlich und/oder kulturel-
lem Belang widmen. Derartige Debatten brauchen nicht den gesamten Bereich
einer Gesellschaft in Ganze zu erfassen, sondern konnen auf gesellschaftli-
che Teilbereiche und somit auf bereichspezifische „Teil6ffentlichkeiten" be-
schrankt sein.

Mit der Verwendung des Ausdrucks Diskurs gelangt eine gesteigerte Auf-
merksamkeit der Offentlichkeit fur die gesellschaftliche Bedeutung von Kom-
munikations- und Argumentationsprozessen sowie uberhaupt fur die zentrale
Rolle der Sprache fur gesellschaftliche Wissenskonstruktion, Wissensversiche-
rung, Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zum Ausdruck. Es wird
damit zunehmend deutlich, dass kollektives und individuelles Bewusstsein
starker durch sprachlich-kommunikative Prozesse gepragt sind als jemals zu-
vor registriert. „Harte Fakten" erweisen sich - historisch-genetisch betrachtet -
als kommunikativ produzierte, akzeptierte und schlieElich prasupponierte Ar-
tefakte, die keiner Revision enthoben und nur in jeweiligen kulturspezifischen
Zusammenhangen funktional sind. Gewissheit und Selbstverstandlichkeit gibt
es nur bis auf Widerruf und auf der Grundlage nicht weiter hinterfragter Stand-
 
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