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Felder, Ekkehard [Hrsg.]; Bär, Jochen A. [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Sprache — Berlin, Heidelberg, 53.2009

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Hermanns, Fritz: Linguistische Hermeneutik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11275#0192
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Linguistische Hermeneutik *

Uberlegungen zur iiberfalligen Einrichtung
eines in der Linguistik bislang fehlenden Teilfaches

FRITZ HERMANNS f

Die Beitragerlnnen dieses Bandes [d.h. Linke/Ortner/Portmann-Tselikas (Hg.)
(2003): Sprache und mehr - Anm. des Herausgebers] sind gebeten worden,
mit Vorschlagen an der Profilierung einer wiinschenswerten zukunftigen Lin-
guistik teilzunehmen; gemeint ist vor allem die germanistische Linguistik, die
Sprachgermanistik. Diese ist derzeit in mancher Hinsicht reformwiirdig, das
ergibt sich aus der Konstatation ihrer Defizite, wie sie der Beitrag von Ort-
ner/Sitta (2003) aufzahlt. Insgesamt versaumt es danach die Sprachgermanis-
tik nicht nur, sich der sie umgebenden und tragenden Gesellschaft als eine fur
deren Fragen und Probleme einschlagige Wissenschaft zu prasentieren, son-
dern auch - und das ist das Entscheidende - sich selbst, so gut sie kann, dazu zu
machen. Insbesondere straubt sie sich oft geradezu dagegen, fur andere Wis-
senschaften und fur die Gesellschaft niitzlich sein zu sollen, d.h.„angewandt"
zu werden (Antos 2003). Zu den so benannten Defiziten soil hier hinzugefugt
werden, dass die Linguistik, wie sie heute ist und sich selbst darstellt, einen
ihrer groEen Triimpfe, eine ihrer starksten Karten, noch so gut wie gar nicht
ausspielt. Namlich, dass sie - und zwar essenziell - Verstehenswissenschaft ist:
Hermeneutik. Der Sinn dieses Beitrags ist es, darauf hinzuweisen, dass dies
in der Tat der Fall ist, sowie dafiir zu pladieren, dass Sprachgermanistinnen
und -germanisten sich verstarkt bemiihen sollten, bei der Selbstdarstellung ih-
res Faches darauf hinzuwirken, dass die Linguistik nicht mehr kontrafaktisch
wahrgenommen werden kann als eine Linguistik, die zu Fragen und Problem
des Verstehens nichts zu sagen hat, d.h. als Linguistik ohne Hermeneutik und
daher als Linguistik ohne Belang fur die Hermeneutik. Der Sinn dieses Bei-
trags ist es aufterdem auch, zur Einrichtung eines sprachwissenschaftlichen

* Dieser Beitrag unseres verstorbenen Kollegen Dr. Fritz Hermanns (1940-2007) erschien erst-
mals in Linke, Angelika/Ortner, Hanspeter/Portmann-Tselikas, Paul (Hg.): Sprache und mehr.
Ansichten einer Linguistik der sprachlichen Praxis. Tubingen: Max Niemeyer Verlag 2003. In
der hier abgedruckten Version wurden die Verweise auf diesen Band sowie das Literaturver-
zeichnis entsprechend iiberarbeitet. Wir danken den Herausgebern und dem Verlag fur die
Erteilung der Abdruckrechte. Wir haben mit Fritz Hermanns einen brillanten Wissenschaftler
und originaren Denker verloren. Er fehlt uns sehr.
 
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