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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 27 - Nr. 39 (2. März - 30. März)
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— 116 —
ö ö 4
derſelben haben ſich ſo tief in meine Seele geprägt, daß ich für ſie der
Noten nicht bedarf.“
„Da könnten Sie gleich eine hohe Freude mir bereiten!“ rief Mozart,
indem er, ohne lange nach Noten zu ſehen, mit Uebergehung des großen
Vorſpieles dieſer Arie, die letzten einleitenden Melodieen ohne Weiteres
vortrug und dann mit begeiſtertem, aufforderndem Auge die Jungfrau
an ſchaute.
Auf dieſe ſchien der Blick des Meiſters mit zündender Kraft zu wir-
ken. Mit dem Ausdrucke der höchſten Entſchloſſenheit, den jedoch der
vollſte Wohlklang beherrſchte, das ganze innere Leben eines heißliebenden
und auf Alles gefaßten Mädchens in reichen Farben malend, ſchleuderte
ſie die erſten Worte: Martern aller Arten, hervor, an welche ſich
dann das hohe Gefühl von Seelengröße und des edelſten jungfräulichen
Stolzes reihte, als die Verſe: mögen meiner warten, ich verlache
ſie, folgten. Waren die erſteren Takte von erſchütternder Wirkung, ſo
mußte die jetzt folgende Coloratur, welche eben ſo ſicher, als rein und —
was die Hauptſache war — voll Anmuth ſich abperlte, ſelbſt den großen
Meiſter zur Bewunderung nöthigen. Von hinreißender Wirkung aber war
der mittlere Satz der Arie: Laß Dich bewegen, verſchone mich.
ö (Fortſetzung folgt.) ö

Vermiſchtes.

Ein Vorgang in der berühmten Kreutzberg-
ſchen Menagerie, der ſich am 19. Februar in
Köln zutrug, hatte ernſte Folgen. Es wurde
nämlich, vielleicht in rein zufälliger Weiſe,
die Scheidewand zurückgeſchoben, welche den
großen Königstiger von ſeinem Nachbar, einem
prächrigen ſchwarzen Bären, getrennt hielt. Der
Tiger ſtürzte ſich augenblicklich auf den Bären
und faßte ihn ſo gewaltſam am Halſe, daß er
ſich rarin förmlich verbtß. Das anweſende
Publikum gerieth in den größten Schrecken;
mehrere glaubten, eine der wilden Beſtien ſei
los, Andere meinten, es brenne, weil der Ne-
ger aus Leibeskräften nach Waſſer ſchrie, um
durch ein Douchebad die Thiere zu trennen.
In einer Secunde war der ganze erſte Platz
wie gefegt und es wird ſogar behauptet, daß,
mit wenigen ehrenvollen Ausnahmen, die Her-
ren, die natürlichen Beſchützer des ſchwächeren
Geſchlechtes, ihrer Ritterpflicht ſo wenig ein-
gedenk geweſen, daß ſie den Damen noch voran
über die Planken in den zweiten und dann in
den dritten Platz geſprungen ſeien. Während
dieſes allgemeinen sauve qui peut hatte man
weder durch Waſſer, noch durch Stoßen und
Schlagen den Tiger von ſeiner Beute losma-
chen können, was erſt geſchah, als es gelun-
gen war, ihm eine dicke Stange zwiſchen die
Zähne zu ſchieben und ſie auseinander zu bre-
chen. In demſelben Augenblicke aber fuhren
beide Thiere hoch in die Luft; der Tiger aber

faßte den Bären beim Genick und riß ihn nie-
der zugleich hörte man ein bedenkliches Knir-
ſchen, als ob ein Halswirbel durchgebiſſen würde.
Mit großer Mühe gelang es endlich, die bei-
den Unholde zu trennen und die Scheidewand
wieder vorzuſchieben. Die Verletzung, welche
der Bär erlitten, ſcheint ſehr bedeutend zu
ſein und man hegte Zweifel, ob er davon
kommen werde; derſelbe hat ſich aber wieder
erholt. Für das Publikum war bei dieſem
Ereigniß nicht die mindeſte Gefahr vorhanden.
Einige beherzte Herren hatten verſchmäht, die
Flucht zu ergreifen. Als der Kampf beinahe
zu Ende war und die übrigen ſahen, daß die
paar furchtloſen Zeugen desſelben noch nicht
gefreſſen waren, kamen auch ſie wieder näher.

(Bekenntniß eines Vertheidigers.) In einer
vorgeſtern vor dem k. k. Wiener Landesgerichte ab-
gefuͤhrten Schlußverhandlung wegen Vergehens
der ſchuldbaren Crida plaidirte für den Ange-
klagten der Adv.-Conc. Dr. K—y, und ſuchte
die Schuldloſigkeit ſeines Clienten unter An-⸗
derem durch folgende Behauptung zu beweiſen:
„Wenn das Vergehen der Crida dann ſtrafbar
it, wenn der Concurs nicht zur Zeit angemel-
det iſt. wo die Paſſiva die Activa überſteigen,
dann muß ich bekennen, daß auch ich ſtrafbar
bin, denn ener Fall trat auch bei mir nicht

ſelten ein.“

Redactton, Druck und Verlag von A dolph Emm erllng. —
 
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